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Die "Congestion Charge"-Zone" ist in London nun flächenmäßig doppelt so groß.

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London - Auf seine Parteifreunde ist Douglas Alexander derzeit nicht gut zu sprechen. Der junge Verkehrsminister (39), dem in seiner steilen Karriere bisher fast alles gelang, muss sich gegen den Vorwurf wehren, er wolle Großbritanniens Autofahrer schon bald mit einer flächendeckenden Maut zur Kasse bitten. Zumindest indirekt beigetragen zu diesem Eindruck haben die Web-Spezialisten der Downing Street: Seit November können Bürger auf dem Web-Portal von Premierminister Tony Blair nämlich nicht nur hübsche Bilder früherer Amtsinhaber betrachten, sondern auch Petitionen unterzeichnen oder sogar selbst verfassen.

Das lobenswerte Projekt größerer Bürgernähe plätscherte einige Wochen vor sich hin - bis Peter Roberts davon erfuhr. Der Buchhalter aus dem mittelenglischen Shropshire appellierte mit einigen emotionalen Sätzen an den Premier, "die geplante Automaut zu vergessen". Binnen weniger Tage hatten Hunderttausende die Petition unterschrieben, Beginn vergangener Woche war der Andrang so groß, dass die Website zusammenbrach. Bis zum Schlusstermin am Dienstag dürften sich zwei Millionen Briten hinter der populistischen Forderung versammelt haben. "Wer diese Idee hatte, muss ein ziemlicher Trottel sein", hieß es aus dem Verkehrsministerium, dessen Pressestelle nicht dementieren mag, dass Minister Alexander selbst den Satz gesagt haben könnte.

Die ausgerechnet von der Downing Street kanalisierte Furcht vor höheren Kosten kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Alexander muss deutlich machen, wie er der zunehmenden Verstopfung auf den Straßen Herr werden will. Einer Studie des Schatzkanzleramtes zufolge droht spätestens 2025 der Verkehrsinfarkt.

Maut-Effekt weg

Dass die Maut dabei keineswegs ein Allheilmittel sein kann, demonstrieren jüngste Zahlen aus London. Dort hatte Bürgermeister Ken Livingstone vor vier Jahren eine City-Maut (rund 12 Euro pro Einfahrt) für die Innenstadt eingeführt, die im ersten Jahr den Verkehr um ein Drittel flüssiger machte. Doch 2006 machte die Stau-Reduzierung nur noch acht Prozent aus. Wenn die Mautzone ab heute, Montag, um das Doppelte ausgedehnt wird und damit mehr Anwohner in der Innenstadt fahren können, dürfte der positive Effekt aufgehoben werden. Am Samstag wurde mit einem Autokonvoi gegen die Ausdehnung der Zone um 17 Quadratkilometer protestiert.

Das Ministerium plant ab Sommer ausgedehnte Tests in Manchester, Birmingham sowie in Cambridge. Die Zeit drängt, wie der Verkehrs-Ausschuss des Unterhauses am Donnerstag deutlich machte. In einem Bericht kommen die Parlamentarier zu dem Schluss: Von sieben Zielen habe das Ministerium fünf verfehlt. Zur Liste der Versäumnisse zählen die Verbesserung der Luftqualität in Ballungsgebieten und komfortablere Öffis, aber auch weniger Staus - "ein schlimmes Versagen" des Hauses von Alexander, dem es zudem an einer "klaren Strategie" mangle, sagt Ausschuss-Vorsitzende Gwyneth Dunwoody. Die Dame gehört, wie könnte es anders sein, der Labour-Party an. (Sebastian Borger, DER STANDARD - Printausgabe, 19. Februar 2007)