Schuld daran ist die Prinzessin. Die Prinzessin stand nämlich neben mir an der Bar und wartete auf das blonde Selbstvermarktungswunder. Und nachdem sie mir wieder einmal erklärt hatte, dass es ihr echt auf die Nerven gehe, von mir Prinzessin tituliert zu werden, weil sie das a) nie sein wollte und sie deshalb und auch b) von Kellnerin über Flugbegleiterin und PR-Zetteltante so ungefähr alle Jobs gemacht hatte, die auch Prolos wie ich im Lebenslauf hätten und es sie c) unheimlich anstinke, dass es tatsächlich Leute gäbe, die in ihren Clan eingeheiratet hätten, um sich nun als besseres Geblüt aufzuführen, rügte sie mich ernsthaft.
Taximangel
Die Prinzessin findet es nämlich befremdlich, dass ich hier so gut wie nie über Taxis schreibe. Obwohl die, findet sie, doch eigentlich ein unendlicher Quell feiner Geschichten über die Stadt und ihre Benutzer seien. Und so selten, meinte sie, wäre ich doch auch nicht in einer Mietdroschke unterwegs. Schon allein beruflich und nachts.
In der Sache wollte ich der Prinzessin – die ich natürlich auch weiterhin so nennen werde – nicht widersprechen. Zum einen, weil sie in Sachen Seltsamkeit bei Taxifahrern natürlich Recht hat. Vielleicht sogar zu recht: Aufgelegter, als das, was einem Taxler an den Kopf texten, könnten Geschichten nicht sein. Drum gibt es ja auch etwa eine Million Taxi-Memoiren-Dokus und –Sammelbände. Und das ist gut so. Außerdem kommen/kamen Mietwagenfahrer hier doch hin und wieder vor: Das legendäre (angeblich nicht mehr fahrende) Texas-Taxi mit Klapperschlangenhaut am Fenster genauso wie rassistische Fahrer oder Fahrer, die bestimmten Fahrgästen bestimmte Adressen verweigern. Aber in Summe hat die Prinzessin Recht: Taxis sind hierzukolumne unterrepräsentiert.
Wunschkonzert
Und weil die Nacht, als ich im Motto auf Paris Hilton wartete, mein Leben verändert hat, versprach ich der Prinzessin, ihr einen Wunsch zu erfüllen – und von jenem Taxifahrer zu erzählen, der uns beide ein Paar Nächte zuvor nach Haus gebracht hatte. Sie zu sich und mich zu mir. Das ist uns beiden wichtig. Auch wenn es nur ein paar hundert Meter auseinander liegt.
Der Fahrer des orangenen Großraumtaxis mit Radio-Wien-Aufdruck (und, wie wir vermuteten, Taxi-Orange-Vergangenheit) hatte nämlich ferngesehen. Irgendwas über das Klima. Und davon erzählte er uns, als er uns in der Nacht heim brachte: Dass dieses Jahr noch sehr sehr aufregend werden würde. Wegen des Wetters. Und der Fluten, der Dürren, der Hitze und der Kälte. Und vor allem: wegen der Fische.
Fischereisorgen
Wieso wegen der Fische? fragten die Prinzessin und ich – und sahen einander erschrocken an: Normalerweise schweigen wir, wenn Taxler monologisieren. Besser: Wir hören gezielt weg. Weil jeder von uns weiß, wie rasch Widerspruch zur Eskalation und damit zum Ende einer Auftragsfahrt führen kann. Das ist um drei in der Nacht bei Regen und in der Pampa dann nicht lustig – und nur, um einem (meist rassistischen) Idioten zu sagen, dass er ein (rassistischer) Idiot ist, hole ich mir schon lange keine Lungenentzündung mehr. Vor allem deshalb nicht, weil dieses Opfer solche Leute auch nicht zum (Nach)denken bringt.
Aber der Fahrer hatte uns gar nicht provozieren wollen, sondern redete einfach weiter: Ohne Eisdecke am Wasser oder bei wärmeren Meeren im Winter wären die Fische aktiver, verbräuchten also mehr Energie und fräßen Flüsse, Seen und Ozeane leer. Jedenfalls so leer, dass das Futter nicht reiche, bis der Frühling die Speicher wieder auffülle. Spätestens nächstes Jahr, hatte der Taxifahrer das Fernsehen verstanden, wären die Meere und Seen und Bäche daher tot – und dann käme der Hunger an Land. Oder so ähnlich halt. Ob wir uns denn keine Sorgen machten?
Klimax des Kollapses
Die Prinzessin und ich nuschelten Unverbindliches und setzten besorgte Mienen auf. Der Fahrer war zufrieden und erging sich in einer detailreichen Prophezeiung der unmittelbar bevorstehenden Apokalypse – freilich ohne jede religiöse oder moralische Konnotation. Dennoch: Der Mann war gut. Denn der totale Kollaps aller ökologischen, ökonomischen, zivilisatorischen und sonstigen Systeme ereichte seinen Klimax punktgenau an der Ecke Schönbrunnerstraße/Ramperstorfergasse – dem Ziel der Fahrt.
Ich zahlte. Wir stiegen aus. Der Wagen fuhr an – und blieb wieder stehen. Der Fahrer ließ das Fenster herunter, steckte den Kopf n den Rege und rief uns zurück: „Ihr zwei solltet euch zusammentun und Vorräte anlegen. Ich wünsche euch ein gutes Überleben. Ihr hättet es eher verdient als andere.“ Und weg war er. Die Prinzessin sah mich an: „Spooky“, sagte sie. Dann trennten wir uns.