Tom Ripper leitete die nicht kommerzielle Offspace-Galerie im Renz.
Foto: Magdalena Blaszczuk

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Es war eine "Herausforderung in dem Odeur von Rotlicht und altem Glanz und Glamour, neue Kunst zu zeigen", so Ripper.
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Damit hat Wien nicht nur einen Klub mit interessanter DJ-Kultur weniger, auch der "Renz Contemporarian Art Galerie" wird der Spielboden mit dem Flair des Rotlichtmilieus entzogen. Dessen Kurator Tom Ripper sprach mit Kerstin Kellermann über Offspaces und Off-Kunst, Mietrückstand und Sponsorensuche.



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derStandard.at: Wie fing das an im Cabaret Renz?

Tom Ripper: Ein Freund rief an und wollte mir mitten in der Nacht die Zirkusgasse 50 zeigen. 'Wir machen einen Klub', sagte er. Und dann war da dieses völlig versiffte, grausliche alte Bordell. Du bist verrückt, habe ich damals noch gesagt, aber binnen kürzester Zeit nahm das Formen an. Tom [Anm.: Schwarzenpoller] kam auf die Idee, dass ich im ersten Stock eine Galerie machen soll. Dort waren alte Möbel aus dem Bordell, Teppiche mit Brandlöchern und verschimmelte Vorhänge, überall hingen die Kabel aus der Wand. Am Anfang haben wir 'Kunst am Bau' in der Halbruine gemacht. Die erste Ausstellung gestaltete Monika Weber, die Tochter von Stefan Weber [Anm.: Drahdiwaberl], mit Bildern zwischen Popart und grafischem Realismus. Im Endeffekt veranstalteten wir in zweieinhalb Jahren über 40 Ausstellungen mit über 100 beteiligten KünstlerInnen.

derStandard.at: Was weißt du über die Geschichte des Renz?

Ripper: Das Cabaret Renz war seit der Gründung ein Erotik-Etablissment. Zu Beginn war dass gar nicht so sehr Bordell, sondern es gab da eher die harmlosen 50er-Jahre Striptease-Geschichten und Erotik-Akrobaten. In den 60er Jahren war das Renz der Wiener Nachtklub in dem internationale Stars auftraten. Josephine Baker machte hier eine legendäre Dior Mode- und Gesangsperformance. Auch Omar Sharif war hier und Robert Stolz soll sogar Stammgast gewesen sein.

derStandard.at: Wieso hört ihr jetzt so plötzlich auf?

Ripper: Der Mietvertrag wurde überraschend gekündigt und das bedeutet schlicht und ergreifend das Ende. Tom und ich haben das erst letzte Woche erfahren. Wir waren geschockt, weil wir glaubten, ein sehr gutes Verhältnis mit der Hausbesitzerin zu haben. Anscheinend will man uns loswerden.

derStandard.at: Welche Gründe wurden angeführt?

Es gibt einen gar nicht einmal so hohen Mietrückstand und Differenzen in der GesmbH, zu der ich nicht gehöre. Für die kulturelle Bespielung war der Verein open source zuständig. Wir haben einen guten Job gemacht, das ist leider nicht honoriert worden. Wir suchten lange einen Sponsor für die laufenden monatlichen Kosten von 6000 Euro. Ich bin traurig, dass ein kulturelles Schmuckstück, das wir in einer ansonsten kulturell noch ziemlich toten Wiener Gegend geschaffen haben, jetzt so plötzlich und abrupt stirbt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jetzt die Stadt Wien kommt und sagt 'Burschen, ihr habt klasse Arbeit geleistet. Wir übernehmen eure Mietschulden'.

derStandard.at: Glaubst du, dass das Renz jetzt wieder ein Rotlicht-Lokal wird?

Ripper: Ich habe in den letzten Tagen zu viele Gerüchte gehört und will gar nichts mehr sagen, denn das ist alles schon zu verworren. Das Konzept der Galerie, jungen Künstlerinnen mit einer schrägen Message, Ausstellungsraum zu geben, wird unter dem Namen Renz weiter verfolgt. Bis wir wieder eine fixe Location finden, werden wir unterschiedliche Orte bespielen. Das Einzigartige am Cabaret Renz war die Kombination aus Geschichte, Galerie und Klub: Alle Arten von Kunst sehr komprimiert im geschichtsträchtigen Raum eines ehemaligen Edelpuffs. Während unten Techno-Parties oder Punkkonzerte stattfanden, versammelten sich oben zum Teil ältere Künstler mit ihrer Gemeinde. Wir sahen das als Bildungsauftrag in beide Richtungen und das wurde gut angenommen. Auch der nicht kommerzielle Kunstcharakter der Galerie ist gut angenommen worden. Die Künstler haben schon einiges verkauft.

derStandard.at: Welches Kunst-Konzept steht hinter der Galerie?

Ripper: Es ist ein Offspace Konzept, das heißt wir zeigen kontroversielle, radikale Positionen, die im gängigen Galerie-Betrieb nicht zu finden sind. Die Idee war, eine demokratische Galerie zu machen. Ich wollte keine künstlichen Qualitäts-Kriterien anlegen oder nur akademische Künstler ausstellen, sondern Leute, die etwas aufzeigen wollen. Wie etwa eine Hausfrau, die etwas zum Thema Patriarchat machte, oder einen obdachlosen Junkie, der auf dem Material Aluminium gemalt hat. Wir haben kein Geld verlangt, keine Miete, gar nichts, sondern wir baten darum, ein Werk ihrer Wahl in unsere Sammlung zu übergeben. Die Sammlung soll keine Werte schaffen und ist daher unveräußerlich.

derStandard.at: Ist dieses Konzept überall wiederholbar?

Ripper: In der zeitgenössischen Kunst hast du eigentlich den 'White Cube', einen weißen, architektonisch und geschichtlich möglichst unbelasteten Raum, eine Fläche, wo alles möglich wird. Die Atmosphäre im Renz lieferte ein besonderes Spannungsfeld. Es war eine Herausforderung in dem Odeur von Rotlicht und altem Glanz und Glamour, neue Kunst zu zeigen. KünstlerInnen sind dann auch speziell auf das Thema Renz und Prostitution oder 2. Bezirk eingegangen. Dieser alteingesessene, ehrwürdige, mit unendlichen Assoziationen belastete Ort und das Flair des Renz reizte und faszinierte mich und viele Künstler.

derStandard.at: Wieviel Idealismus steckt im Renz?

Ripper: Das Renz war für uns alle ein full time Job. Wir verdienten aber nichts dran. Jeder von uns hat jeden verdienten Cent, wieder in die Hütte hinein gesteckt. Das ganze technische Equipment - Lüftung, Elektrizität, Heizung, Schallschutz um 16.000 Euro - da rieselt viel Geld rein und der Gast bemerkt es nicht. Notausgänge, Brandschutz, das sind alles gewaltige Investitionen gewesen, damit du die Auflagen erfüllst. Nachdem wir keinen potenten Sponsor hinter uns hatten, mussten wir das alles selber aufbringen. Die Kulturkommission des zweiten Bezirks erkannte uns zwar als förderungswürdig an, nur hat der zweite Bezirk so wenig Kulturbudget, das für uns nichts übrig blieb. Der politische Wille war da, aber das Geld nicht. (Kerstin Kellermann)

>>>Letzte Runde im Cabaret Renz

Letzte Runde im Cabaret Renz

Wiederbelebung von Wiens ältestem Nachtclub fehlgeschlagen

Wien – Die Tanzstange für Go-go-Girls an der sieben Meter langen Bar wurde zwar schon vor Längerem entfernt, doch nun scheinen auch die Tage des abgewetzten roten Samts, der unterschiedlich großen Separees und der vergilbten Fotos im Cabaret Renz gezählt.

Zwei Jahre, nachdem das einstige Varieté und Edel-Puff in der Zirkusgasse in der Leopoldstadt in ein Szene-Lokal umgewandelt wurde, geben sich die Betreiber geschlagen. "Keine Überraschung bei den angehäuften Mietrückständen", meint Michael Frischler, einer der vier jungen Betreiber, die ab November 2004 elektronische Musik sowie Theater, Lesungen und Kunst aus subkulturellen Nischen in die schmuddeligen Gemäuer brachten. Dazu kamen Probleme mit der Baufirma, fehlende Genehmigungen und persönliche Diskrepanzen zwischen den Chefs. "Wir haben unser minimales Erspartes hineingesteckt und keinen Cent daran verdient", resümiert Frischler. "Es war eine tolle Erfahrung, aber jetzt sind wir g’scheiter."

Per Zufall sei man auf das abgehalfterte Bordell gestoßen, dessen Name auf Ernst Jacob Renz zurückgeht, der 1853 unweit des Lokals eine riesige Zirkusarena erbauen ließ. Spätestens in den 90er-Jahren hatte das Etablissement jedoch jeglichen Zauber vergangener Nächte verloren. Und die waren lang: In dem seit 1954 bestehenden Cabaret, das als Wiens erster Nachtclub gilt, waren Stars wie Josefine Baker, Omar Sharif, Ringo Starr, Truman Capote, Robert Stolz und Ernst Waldbrunn zu Gast – entweder um selbst auf der Bühne zu stehen oder um den meist erotischen Varietédarbietungen beizuwohnen.

Die Exklusivität verblich im Lauf der Jahre und das Cabaret Renz wandelte sich zum reinen Bordell und musste Ende 2003 schließen. Frischler und seine Kollegen Matthias Breithuber, Peter Szokol und Thomas Schwarzenpoller ergriffen die Chance und brachten internationale DJs in den Kellerclub. Im ersten Stock wurde eine Off-Gallery installiert. Diese soll andernorts weitergeführt werden. Was nach der "Grabtragung" am 28. Februar aus dem Cabaret Renz wird, ist ungeklärt. (Karin Krichmayr/ DER STANDARD, Printausgabe, 20.02.2007)