Wer in der SPÖ geglaubt hat, die überlegene Verhandlungstaktik der ÖVP war auf die Regierungsbildung beschränkt, muss sich tagtäglich eines Besseren belehren lassen. Der Juniorpartner treibt die Kanzlerpartei vor sich her, und diese findet kein passendes Gegenmittel.

Das jüngste Beispiel ist der einseitige Vorstoß des Wirtschaftsministeriums zur Abschaffung des Bundeskartell-anwalts im Justizministerium. Dieser Punkt ist zwar im Koalitionsabkommen fixiert, aber es erstaunt dennoch, wie ein schwarzes Ministerium per Gesetzesentwurf einem roten mit fast schon roher Gewalt Kompetenzen abzujagen versucht.

Finte der ÖVP

Bereits die Einfügung der Passage zum Kartellrecht im Regierungspakt war offensichtlich eine parteitaktische Finte der ÖVP. Die einst unter schwarz-blau vereinbarte Teilung der Kartellkompetenzen zwischen der weisungsfreien Bundeswettbewerbsbehörde, die zum Wirtschaftsministerium gehört, und dem weisungsgebundenen Kartellanwalt im Justizressort galt als fauler politischer Kompromiss, aber er hat sich seither gar nicht so schlecht bewährt. Von allen milliardenteuren Doppelgleisigkeiten in der österreichischen Verwaltung ist die Existenz des Kartellanwalts die wohl unwesentlichste - und hätte genauso bleiben können.

Gleichzeitig hat der Bundeskartellanwalt politisches Potenzial: Auch wenn noch kein Justizminister vom Weisungsrecht Gebrauch gemacht hat, hätte sich für SP-Ministerin Maria Berger die Möglichkeit, per Weisung die Verfolgung eines ungeliebten Kartells anzuordnen, eines Tages als äußerst populär erweisen können. Doch angesichts des von ihrer Partei schludrig verhandelten Koalitionspaktes kann sie sich nun schwer gegen ihren Regierungskollegen Martin Bartenstein wehren.

Details im Regierungsalltag

Natürlich sind all das bloß Details im Regierungsalltag - ebenso wie der Vorstoß des Wirtschaftsministers zur Pflegeregelung, dem sich Sozialminister Erwin Buchinger nach anfänglichem Widerstand gefügt hat. Aber es zeigt eines: Die ÖVP setzt sich durch, mit Bartenstein als Speerspitze einer beinharten Interessenspolitik. Dort, wo die SPÖ zurückzuschlagen versucht, beißt sie rasch auf Granit - etwa beim nicht ganz durchdachten Versuch, dem beliebten Umweltminister Josef Pröll mit einem eigenen Klimabeauftragten etwas von seinem Glanz zu stehlen. Selbst wenn Alfred Gusenbauer diesen - sachpolitisch unbedeutenden - Posten doch noch bekäme, wäre der koalitionsinterne Preis dafür wohl sehr hoch.

Gusenbauer selbst hat im jüngsten Standard-Interview mit dem Satz "Ich bin kein Vertreter der Brechstange" deutlich gemacht, dass er sich gegenüber solch machiavellistischer Machtpolitik, wie sie vor allem Wolfgang Schüssel perfektioniert hat, verweigert. Das mag ein Zeichen staatsmännischer Größe sein - oder aber von Blauäugigkeit. Wenn der Regierungspartner allerdings solche Tricks nicht scheut, dann reicht es nicht aus, auf gemeinsame hehre Ziele zu verweisen. Und wenn sich niemand vor dem Kanzler fürchtet, dann verliert seine Partei nicht nur den Kampf um Symbole, sondern auch um politische Inhalte, die ihr wirklich am Herzen liegen.

Wo, wenn nicht dort?

Und wenn ein Kanzler am Kabinettstisch nichts durchsetzen kann, wie soll er dann österreichische Interessen in den oft viel härteren Verhandlungen in Brüssel, wo auch Schüssel mehrmals gescheitert ist, durchsetzen?

Im Wahlkampf hat Gusenbauer bewiesen, dass er von politischer Inszenierung etwas versteht. Aber viel wichtiger für nachhaltigen politischen Erfolg ist eine präzise Vorbereitung, gefolgt von konsequenter Durchsetzung.

Man kann gespannt sein, was die ersten größeren Gesetzesinitiativen aus SP-Ministerien und dem Bundeskanzleramt in dieser Hinsicht bieten werden und wie viel Gusenbauer davon dann gegen VP-Widerstand realisieren kann. Doch ohne einen Schuss Machiavelli wird der "Volkskanzler" weder in den Umfragen noch in der Sachpolitik seine Bilanz aufmöbeln können. (Von Eric Frey, DER STANDARD, Printausgabe 19.2.2007)