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Als möglicher Nachfolger Putins aufgewertet: Erster Vizepremier Sergej Iwanow.

Foto: APA/EPA/Mikhail Klimentyev
Charisma kann man ihm nicht nachsagen. Steif, als würde er ständig frieren, bewegt sich Sergej Iwanow (54) durch den Raum. Die Gefahr, dass ihm ein Lächeln auskommt, hat er unter Kontrolle. Auch wirken die Gesichtszüge, als strenge ihn seine Aufgabe an. In der Tat gibt es Attraktiveres, als das aufgeblähte Verteidigungsressort in Russland zu führen. Die Offiziere wollen besser versorgt werden. Im Tschetschenienkrieg starben Soldaten zu tausenden.

Für Rekruten ist die Armee aufgrund der brutalen Initiationsriten ohnehin ein Feindbild. Die Brutalitäten nahmen in den vergangenen Jahren zu. Der Verteidigungsminister, erster Zivilist auf diesem Posten, hat in heiklen Situationen auch kein Krisenmanagement bewiesen. Als dem schwer misshandelten Rekruten Andrej Sytschew im Vorjahr Beine und Genitalien amputiert wurden, winkte Iwanow ab: "Wäre etwas Ernsthaftes passiert, würde ich davon wissen." Es kam später Präsident Wladimir Putin selbst zu, von einer Tragödie zu sprechen.

Überhaupt ist Putin Iwanows große Stütze. Iwanow gehört dem Kreis der engsten Vertrauten des Kremlchefs an. Die gemeinsame Vergangenheit verbindet: Iwanow, wie Putin aus St. Petersburg gebürtig, kam schon 1976 - nach dem Anglistikstudium - zum Sowjetgeheimdienst KGB. In der Kaderabteilung im damaligen Leningrad arbeitete er mit Putin zusammen. Anfang der 80er-Jahre war Iwanow in der Sowjetbotschaft in London, vermutlich zur Auslandsaufklärung. Iwanow selbst, der fließend Schwedisch spricht, dementierte mehrmals Informationen, er habe in Schweden gearbeitet. Die offizielle Biografie nennt Aufenthalte in Helsinki und in Kenia.

Auch in den 1990ern arbeitete der verheiratete Vater zweier Söhne an der Seite von Putin, wurde 1998 dessen Vize an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes FSB. 1999 stieg er zum Sekretär des Sicherheitsrates auf, um zwei Jahre später unter Putin das Verteidigungsressort zu übernehmen. 2005 folgte die Ernennung zum gewöhnlichen Vizepremier.

Gerade Iwanow wurde zuletzt im Westen vermehrt mit dem russischen Militarismus assoziiert: Sein Ressort liefert Waffen in Paria-Staaten, artikuliert den Widerstand gegen die Nato-Osterweiterung und droht mit dem Austritt aus Abrüstungsverträgen.

Putin strich hervor, dass Iwanow den Rüstungsexport auf über sechs Milliarden Dollar steigerte. Auch begann Iwanow die Armeereform hin zu einer Berufsarmee und schuf gleichzeitig Befreiungen vom Wehrdienst ab. Nun sei er vom Fachminister zum Universalpolitiker aufgewertet, meint die Elitenforscherin Olga Kryschtanowskaja. Dass Putin ein Verwirrspiel inszeniert und letztlich einen ganz anderen Nachfolger aus der Tasche zieht, schließt sie nicht aus. (Eduard Steiner/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.2.2007)