Man kann in Österreich leben wollen - und nirgendwo anders. Man kann das Land und die Menschen trotz ihrer eigentümlichen Mischung aus Selbstüberschätzung, Obrigkeitshörigkeit und beleidigt-nationalem Stolz lieben. Und doch gibt einem die Heimat in jüngster Zeit reichhaltig Gelegenheit, sich für sie, für dieses 15. Land der EU, aufrichtig zu schämen. Und dies nicht einmal nur wegen der beispiellosen Unfähigkeit der Politik, sich von der NS-Vergangenheit glaubwürdig und für die Welt klar erkennbar abzunabeln. Gestern ist ein 19-jähriger netter Bursch verurteilt worden, weil er sich von einem 16-jährigen netten Burschen zum Ausleben von Liebesgefühlen verführen hatte lassen. Die zwei hatten ein paarmal Sex miteinander gehabt. Das soll unter Jugendlichen so üblich sein. Angeblich eine schöne Sache, weiß vermutlich auch der Gesetzgeber: möge angenehm sein, tue gut, löse Spannungen, lehre Zärtlichkeit, stärke Selbstwertgefühle. Die verzopfte Justiz gibt sich bedingt großzügig: Ein 19-Jähriger und eine 16-Jährige dürfen es. Eine 19-Jährige und ein 16-Jähriger dürfen es. Eine 19-Jährige und eine 16-Jährige dürfen es. Nur: Ein 19-Jähriger und ein 16-Jähriger - das geht zu weit. "Schweinigelei!" ruft es aus dem vorgestrigen Paragraphen 209 des Strafgesetzbuches: "Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen", bis zu fünf Jahre Haft. Nur noch in Liechtenstein diskriminiert das Gesetz Homosexuelle auf diese Weise. Wiederholt haben UNO und Europarat Österreich aufgefordert, den Text endlich zu streichen. Die Volkspartei blockiert beharrlich. "Wir" haben unser eigenes Gesetz: anständige Österreicher zuerst, schwule Österreicher zuletzt. Vielleicht sollte man uns doch noch ein paar zusätzliche Weise auf dem Gebiete der Menschenrechte schicken.