Die Politkillerin Mohnhaupt ist geradezu ein Paradebeispiel. Ihr Gesicht ist dank jahrzehntelanger Mattscheibenabstinenz verhältnismäßig frisch und unverbraucht; es gibt ja nur uralte Fahndungsfotos von ihr, denen sie vermutlich nicht einmal mehr ähnlich sieht. So etwas gilt bei den Bildmedien als absoluter Glücksfall.
Außerdem ist sie als Frau natürlich ungleich interessanter als ihr Politkillerkollege Klar. Um den kümmert sich höchstens Claus Peymann, auf dass ihm Klar ein bisschen beim Kulissenschieben helfe. Aber auf den blonden Todesengel Mohnhaupt wartet eine tolle Talkshowkarriere. Von Kerner bis Plasberg werden schon die Mäuler und die Türen aufgerissen; Plasberg hält es für eine "Bürgerpflicht", Mohnhaupt in der Sendung zu haben, bei Kerner würde sie indes kein Honorar bekommen.
Dann doch lieber zu Maybrit Illner oder Bärbel Schäfer, die sich schon mal prinzipiell bereit erklären, ein Gespräch von Frau zu Frau zu führen, was naturgemäß auch für Sabine Christiansen gelten müsste, doch deren Redaktion hat sich, wie sie verlauten lässt, mal wieder keine abschließende Meinung gebildet.
Wo aber das öffentliche Interesse so gewaltig ist, da muss der Staat für günstige Bedingungen sorgen.
Die Lichtverhältnisse in den Justizvollzugsanstalten sind suboptimal, man sitzt beengt, die ganze Atmosphäre ist schon wegen des allzu homogenen Publikums nicht so wie im gewohnten Studio. Deshalb kann nicht das Fernsehen zu Frau Mohnhaupt ins Gefängnis kommen - sie selbst muss heraus, um die Erfüllung einer Talkmaster-Bürgerpflicht erst möglich zu machen.
Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass das Volk mit den Lebensgeschichten von Kannibalen, Päderasten und Bankräubern abgespeist wird, während die Story einer philosophisch gebildeten, der Malerei ergebenen Mehrfachmörderin wie Mohnhaupt medial vollkommen brachliegt. Die wie immer von tiefer Menschlichkeit geprägten Gespräche vor den Kameras werden dabei sicherlich um die aufwühlende Schicksalsfrage kreisen, wie Brigitte Margret Ida Mohnhaupt es geschafft hat, eine so lange Haftzeit - 25 Jahre! - überhaupt zu überstehen.