Reges Treiben bei der Ankunft von Helmut Elsner am Dienstagabend im Wiener Landesgericht.

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Elsner befand sich in den letzten Monaten in seiner Villa in Südfrankreich unter Hausarrest.

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Staatsanwalt Georg Krakow und Justizministerin Maria Berger informierten am Dienstag Abend in einer Pressekonferenz über die Auslieferung Elsners.

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Wien – Der frühere Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner ist am Dienstagabend in einer spektakulären Aktion der Justizbehörden zwangsweise von seinem Wohnsitz in Südfrankreich nach Wien geflogen und in die Justizanstalt Josefstadt gebracht worden. Dort wurde er in Verwahrungshaft genommen. Im Krankenhaus des Landesgerichtlichen Gefangenenhauses Wien-Josefstadt liegt er nun nicht allein im Krankenzimmer, wie Anstaltsleiter Major Josef Gramm der APA heute sagte. Er liege mit einem zweiten Patienten Bett an Bett, damit er jemanden "zum Plaudern" habe. Über den Gesundheitszustand wollte Gramm keine Auskunft geben.

Wie Justizminister Maria Berger in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bawag-Ankläger, Staatsanwalt Georg Krakow, praktisch zeitgleich mit Elsners Ankunft erläuterten, sei dessen Überführung nach Österreich in einem perfekten Zusammenspiel mit den französischen Behörden erfolgt, die von Eurojust, der EU-Justizzusammenarbeitsstelle, koordiniert worden sei. Es habe eine Abstimmung auf der höchsten Ebene der Justizminister der beiden Länder gegeben, erklärte Berger.

Heute erklärte sie vor dem Ministerrat, man müsse jetzt auf die Entscheidung der Gerichte warten. Die Anklageschrift bzw. der Einspruch gegen die Anklageschrift müsse jetzt vom zuständigen Oberlandesgericht behandelt werden. Auf die Frage, ob ihre Vorgängerin Karin Gastinger zu wenig Druck in der Sache gemacht habe, meinte Berger, man habe sich eben früher auf die guten Kontakte zwischen den Staatsanwaltschaften verlassen, da aber nichts weitergegangen sei, sei es nun notwendig gewesen, mehr Schwung hineinzubringen. Elsner hatte sich seit der Verhängung des Haftbefehls im September 2006 geweigert, freiwillig nach Österreich zurückzukehren und sich der Justiz zu stellen. Er machte dafür eine schwere Herzerkrankung geltend. Zuletzt hatte sein Anwalt verbreitet, dass eine Herzoperation in Frankreich unmittelbar bevorstehe. Laut Staatsanwalt Krakow habe es aber keinen Grund mehr dafür gegeben, „nichts mehr, auf das man warten hätte können“. Die österreichische Justiz hatte am Montag einen Chefarzt nach Frankreich geschickt. Dieser wurde als Sachverständiger nach französischem Recht vereidigt und kam Dienstagvormittag nach einer Untersuchung Elsners zum Schluss, dass dieser transportfähig sei. Obwohl der Ex-Chef der Bawag sich lautstark weigerte, wurde er zwangsweise zu einem wartenden Ambulanzjet gebracht. Über medizinische Details gab es keine Auskunft.

Elsner hat jedenfalls die erste Nacht in der Justizanstalt Josefstadt in Wien "gut überstanden". Dies teilte der Sprecher der Justizministerin Maria Berger, Thomas Gaiblinger, Mittwoch früh auf Anfrage der APA mit. Heute werde die unabhängige U-Richterin Gerda Krausam über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wien auf Verhängung der U-Haft entscheiden. "Von unserer Seite ist alles getan, jetzt sind die Behörden am Zug", sagte Gaiblinger.

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Dienstagabend um kurz vor halb acht knallten im Büro von Justizministerin Maria Berger zwar keine französischen Champagner-, aber immerhin Sektkorken. In der Causa Bawag war die Zeit gekommen anzustoßen: auf die Auslieferung von Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner aus Frankreich. Nur kurz zuvor hatten (fast) alle Journalisten das Justizministerium verlassen, in das sie kurzfristigst zur Pressekonferenz mit Berger und dem für die Causa Bawag zuständigen Wiener Staatsanwalt, Georg Krakow, gebeten worden waren. „Zu einer ungewöhnlichen Zeit und einem sehr ungewöhnlichen Anlass“, wie Berger einleitend sagte, „weil sich nämlich Helmut Elsner in diesen Minuten in einer Flugambulanz auf dem Weg zum Flughafen Wien befindet“.

Nach fünf Monaten

Auf den Tag genau fünf Monate zuvor war der Ex-Bawag-Chef, der einer von neun Beschuldigten im Bawag-Verfahren ist (die Anklageschrift ist nicht rechtskräftig), in seiner Villa in Mougins nahe Nizza festgenommen worden. Die österreichische Justiz hatte, weil Elsner zu einem Vernehmungstermin in Wien nicht angereist war, einen EU-Haftbefehl erwirkt – zur Auslieferung kam es aber nicht, weil sich der pensionierte Banker auf Herzprobleme plus Transportunfähigkeit berief, was die französischen Behörden auch so sahen.

Bis Dienstag. „Es gab eine neuerliche medizinische Untersuchung Elsners, die seine Transportfähigkeit bestätigte, die französischen Behörden konnten Elsners Überstellung verantworten“, fasste Berger das zusammen, was sich in den Stunden davor ereignet hatte. Den durchaus dramatischen Ereignissen von Dienstag wiederum waren monatelange Vorarbeiten der österreichischen Justiz, aber auch der Politik vorausgegangen, wie Berger und Krakow in ihrer Doppel-Conférence bestätigten.

Krakow: „Über die politische_Ebene, durch direkte Kontakte mit dem französischen Justizministerium konnte eine Beschleunigung in diesen Prozess gebracht werden. Allein auf der juristischen Ebene hätten wir das in dieser Geschwindigkeit nicht geschafft, der politische Einfluss war notwendig und gerechtfertigt.“

Berger konkretisierte diese durchaus heikle Aussage so: Sie habe Briefe an den französischen Justizminister geschrieben, parallel dazu habe die französische Botschaft dabei geholfen, den Franzosen die Bedeutung der Causa Bawag für Österreich klar zu machen. „Man hat verstanden, dass die Bawag nicht irgendein x-beliebiger Fall ist. Das hat zur atmosphärischen Beschleunigung beigetragen“, drückte Berger das aus. In Justizkreisen war zu hören, dass schon ihre Vorgängerin, Karin Gastinger, „das Terrain aufbereitet habe“, Berger habe „mit ihren Aktivitäten und Kontakten sozusagen die Ernte eingefahren“.

Die Frage, warum Elsner nun doch noch als transportfähig eingestuft wurde, wurde so erklärt: Seit Dezember und dem letzten Gutachten habe sich „die Dramatik der Erkrankung abgeschwächt“, schon damals hätten die französischen Behörden eine neuerliche Begutachtung Elsners bestimmt. Die Frist „war nun abgelaufen, wir haben die Begutachtung eben vorgenommen.“

Tatsächlich verliefen die Stunden bis 19 Uhr 50 (da bezog Elsner sein Bett in der Krankenabteilung der Wiener Justizanstalt Josefstadt) dramatisch, das Drehbuch zu seiner Doch-Noch-Auslieferung war penibel ausgearbeitet.

Mit Händen und Füßen

Dienstag Früh hielt sich Elsner, nachdem er zu einer neuen Untersuchung vorgeladen worden war, im Privatspital nahe Nizza auf. Was er nicht ahnte: Untersucht wurde er nicht nur von einem französischen Gutachter, sondern auch von dem aus Wien angereisten (und von den Franzosen als Sachverständigen angelobten) Wiener Kardiologen und Vize-Chefarzt der Pensionsversicherungsanstalt, Helmut Steininger. „Völlig überraschend für ihn stellte sich dann am Nachmittag heraus, dass das seine Letztuntersuchung war, und dass er nun nach Wien geschickt wird“, erzählt ein Jurist. Was Krakow mit dem Satz „Elsner kam nicht freiwillig mit“ umschrieb, stellt sich in der Realität so dar: „Elsner lieferte heftige und deftige Schreiduelle, forderte, dass sein Anwalt käme (was sich nicht ausging, Anm.) und sprach von einer Entführung in einer Nacht- und Nebelaktion.“

All das sollte ihm nichts nützen, die französischen Behörden „setzten ihn ins Auto und brachten ihn zum Flughafen“. Elsners Frau Ruth kam nicht mit, begleitet wurde Elsner von je zwei Exekutiv- und Justizwache-Beamten. (red, APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.2.2007)