Dr. Ali Eraslan, „Erster Imam“ des Islamischen Glaubensgemeinschaft

Foto: Newald

Gebetsraum der Moschee in der Pelzgasse im 15. Bezirk.

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Dr. Ali Eraslan ist "Erster Imam" der islamischen Glaubengemeinschaft. Mit dem STANDARD spricht er über Politik in Predigten, Zwangsehen, "alte Gebräuche", die Rolle der Frau im Islam und richtige Bedeutung zentraler islamischer Begriffe.

 

 

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Standard: Herr Dr. Eraslan, was bedeutet „Erster Imam“?

Eraslan: Ich bin Erster Imam der Glaubensgemeinschaft für Wien, Niederösterreich und Burgenland und soll die Kontakte zwischen den Imamen ausbauen. Aber fast jede Moschee ist unabhängig, hat Einzelverantwortung. Manche arbeiten mit der Glaubensgemeinschaft zusammen, manche nicht.

Standard: Was bedeutet „Imam“ konkret?

Eraslan: Vorbeter. Im Islam gibt es keine Priester. Wir brauchen für die Vergebung keine Priester, die kommt direkt von Gott. Jeder Muslim kann übrigens das Gebet leiten, aber zur Auslegung bedarf es einer Vorbildung. Ich selbst habe an der Marmara-Universität in Istanbul (staatliche zweitgrößte Uni der Türkei, Red.) islamische Erziehungswissenschaft studiert.

Standard: Kann man aus dem Islam wieder austreten?

Eraslan: Unsere Religion ist hier seit 1912 staatlich anerkannt. Das ist übrigens ein Grund dafür, warum die Muslime hier gegenüber dem Staat eine positivere Haltung haben als in anderen europäischen Ländern. Wenn ein Muslim austreten will, geht er auf das Magistrat, aber er braucht vorher eine Bescheinigung der Glaubensgemeinschaft.

Standard: Was sind die größten Probleme der Glaubensgemeinschaft in Österreich?

Eraslan: Mit den offiziellen Stellen kommen wir sehr gut aus. Probleme macht uns diese eine Partei, die Sie kennen. Im Alltag sind es die mangelnden Deutschkenntnisse. Wir brauchen mehr Deutschlehrer, auch mehr Deutschkurse für Imame. Integration hängt davon ab, ob man die Sprache beherrscht.

Standard: Sie selbst predigen, man müsse „die Menschen mit Sanftmut behandeln“.

Eraslan: Es gibt große Missverständnis etwa beim Begriff Djihad. Das kann nicht mit „heiliger Krieg“ übersetzt werden. Es bedeutet innerer Kampf mit sich selbst für das Gute. „Scharia“ heißt „Ordnung“, das bedeutet für Muslime tägliches Gebet, Pilgerfahrt, Gebote und Verbote. Das soll auch nicht missinterpretiert werden.

Standard: Im Alltag gibt es da auch Probleme wie Zwangsheiraten, das Verbot für Mädchen, als Schülerinnen am Schwimmunterricht teilzunehmen, sogar das Problem der Ehrenmorde.

Eraslan: Das hat nichts mit dem Islam zu tun, das sind alte Gebräuche, die es in vielen Nationen gibt. Die verschwinden nicht so leicht. Aber Muslime sollten Gebräuche, die nicht Gebote des Koran sind, aufgeben. Im Koran steht, dass man eine Frau nicht gegen ihren Willen verheiraten soll. Der Koran spricht immer zu Menschen, nicht zu Frauen oder Männern (zitiert): „Oh Ihr Menschen fürchtet euren Herrn, der euch erschaffen aus einem Wesen und aus ihm erschuf Er seine Gattin, und aus ihnen ließ Er viele Männer und Frauen erstehen!“ (DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2007)