Auch wenn es New York eigentlich nicht mehr gibt. Manhattan ist ein großes Fünf-Sterne-Hotel geworden. Eine auf die Oberschichten gezielte Wohnungspolitik hat alle Vielfalt vertrieben. In der Lower Eastside tummeln sich urbane Hippsters in ihren 1500-Dollar-Zimmern. Das East Village mit der einst berüchtigten und durchaus gefährlichen Alphabet City ist zu einer einzigen großen Essmeile geworden. Vom jugendlichen Vibe ist ebenso wenig zu spüren, wie vom einstigen Drogenhandel und der Prostitution noch etwas zu sehen ist.
"Wohin? Es gibt keine Stadt, in der ich mich inspirierter und wohler fühlen würde", beschreibt es etwa Wolfgang Schalk. Der bei Universal Austria unter Vertrag stehende Gitarrist mit einer großen Zuneigung zu treibenden Soli und spontaner Interaktion lebt jenseits des Hudson Rivers, im traditionell kleinstädtischen New Jersey.
Der Vorteil des eignen Studios deckt den Verlust an Wohnraum ab. Und Schalk ist zäh. Mit Anfang 20 eingereist, hielt er sich zunächst durch Nebenjobs über Wasser. Im Cornelia Street Café, mitten im schicken West Village, spielt er bis heute seine liebsten Konzerte. "New York ist eine Stadt, in der du zurückbekommst, was du gibst. Das kann hart sein, aber es zeigt dir, wer du bist." Müßig, sich über das "Clubsterben" zu ereifern. Hier sperren täglich Clubs zu, andere machen auf. Mit Bradley's und Village Gate gingen zwei Hotspots für After-Sessions und neue Jazz-Talente verloren. Dieser Entwicklung zum Trotz hat etwa das legendäre Minton's Playhouse in Harlem, in dem der Historie zufolge eifrig an einem neuen Stil namens Bebop gearbeitet wurde, nach 30 Jahren wieder aufgesperrt. Einstige Talenteschmieden wie Birdland und Village Vanguard verharren in der qualitätsvollen Starre der Institution.
Für Franz Hackl, den ewig innovativen Macher des Tiroler Outreach-Festivals, liegt das Problem der Szene aber hauptsächlich an der Langsamkeit ihrer Protagonisten. "Jazz-Musik wird immer weniger gekauft, immer weniger gehört. Das Problem ist, dass junge Jazzmusiker nicht mehr jung sind. Sie spielen Altes nach. Wenn man konsequent seinen Weg verfolgt, dann lässt man sich von den äußeren Umständen nicht abschrecken." Der führte ihn zuletzt in einen Boxring in Brooklyn, wo der Trompeter zeitgenössische Musik zu Boxkämpfen erklingen lässt. Eine seltene, Synthese von Kunst und Leben.
New Yorks Jazzszene hat sich anno 2007 erfangen. Aber die Anschläge auf die World Trade Center haben nicht nur das äußere Erscheinungsbild verändert. Im Inneren dieses Organismus versteinern viele gute Ideen durch eine organisiert kulturfeindliche Stadtpolitik. Gegen das Establishment anzurennen ist wieder in.
Respekt
Schlagzeuger Hari Ganglberger nutzt die Stadt für seine Unentschlossenheit. Der zwischen Jazz und Pop hin- und herpendelnde Perfektionist hinter dem Drumset hat sich im inzwischen von Künstlern und Mittelstandsfamilien hoffnungsvoll überrannten Brooklyn niedergelassen. "Es gibt nirgends so eine Vielfalt wie hier. Jeder sollte sich das anschauen." New York - nichts als ein Mythos?