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Anmerkung der Redaktion in aller gebotenen Coolness: Der "Antifaschistische Karneval" war keine Erfindung von Rudolf Burger, sondern des "Aktionskomitees gegen Schwarz-Blau". Im Bild die damalige Grünen-Obfrau Madeleine Petrovic bei der Einstimmung auf das närrische Treiben auf der Ringstraße, Februar 2000.

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Doron Rabinovici: "Hat Fleischhacker denn nicht begriffen, wie intellektuell dürftig es war, die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus als Anachronismus und historischen Mummenschanz zu verwerfen?"

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Neulich rief mich eine Redakteurin der Zeitung "Die Presse" an. Ihr Chefredakteur, Michael Fleischhacker, verfasse einen Kommentar über das Schweigen der Intellektuellen zu Gusenbauers Haltung gegenüber Strache. Dazu habe sie Stellungnahmen von meinesgleichen einzusammeln. Ich war von solch journalistischer Verve beeindruckt: Noch hatte ich gar nicht ausführlich geschwiegen, da sollte schon darüber geschrieben werden. Und nicht nur das. Ich sollte beredt erklären, weshalb nicht nur ich, sondern eine ganze Gruppe verstummt wäre.

Ich gab an, von solch einer Grabesstille nichts gemerkt zu haben, und nannte zum Beweis Robert Menasse, Klaus Nüchtern und Franz Schuh. Von denen etwa hatte ich gelesen oder im Radio gehört, was von den Aussagen des Kanzlers und seines Klubchefs zu halten war. Auch fügte ich hinzu, von Torheit zu sprechen, wo Ideologie zum Vorschein komme, und als Jugendsünde zu bezeichnen, was Lebensprinzip ist, sei der doppelte Rittberger des Selbstbetrugs.

Hätte nicht zu Fleischhackers Thesen gepasst

Wen wundert es, dass meine Kritik an Gusenbauer nicht in der Presse erschien? Warum auch? Sie hätte ja nicht zu Fleischhackers Thesen gepasst. Er wollte beweisen, dass jene Intellektuellen, die gegen Schwarz-Blau gewesen waren, sich nun allzu ruhig verhielten. Ihr dröhnendes Schweigen wäre Ausdruck ihrer Loyalität zur SPÖ, diagnostizierte er. Wie, behauptete Fleischhacker, hätten jene gewütet, wenn das Wort von der Jugendtorheit nicht Gusenbauer, sondern dem Schweigekanzler Schüssel entkommen wäre. So recht habe Rudolf Burger doch gehabt, als er vom "antifaschistischen Karneval" geschrieben und sein Ende vorhergesehen habe. (Anmerkung der Redaktion siehe Bildtext)

Wozu darauf hinweisen, dass ich Gusenbauer schon nach seinem Spargelessen und anlässlich des Kärntner Pakts mit Haider - auch in der Presse - angriff? Der Protest gegen die Verharmlosungen von Strache war von vielen zu hören, die Fleischhacker "Priester der österreichischen Vergangenheitskirche" und "Hysteriker des Jahres 2000" zu nennen beliebt. Vor allem Hans Rauscher zeigte auf, dass der Führer des dritten Lagers nie aus dem Dickicht seiner ideologischen Waldspiele fand. Von dröhnendem Schweigen keine Spur. Zelman und Muzicant meldeten sich zu Wort. Innerhalb der Sozialdemokratie verbargen selbst Regierungsmitglieder, die Nationalratspräsidentin, der Altkanzler und der Wiener Bürgermeister nicht ihren Missmut.

Österreichisches Trägheitsgesetz

Fleischhacker interessiert all das nicht. In Österreich scheint für allzu viele noch unvorstellbar, dass irgend jemand die Praktiken einer Großpartei anprangert, ohne im Dienste der anderen zu stehen. Eine unabhängige Opposition kann es nicht geben: So lautet das erste österreichische Trägheitsgesetz. Hierzulande, wo das Subjekt seit jeher ein verdächtiges war, ist ein Intellektueller vor allem, wer als solcher beschimpft werden kann. Ergreift so einer das Wort, wirft ihm das Ressentiment vor, das Maul zu weit aufzureißen, um, wenn er sich dann einmal nicht äußert, zu feixen, wieso der Nörgler plötzlich schmähstad sei. Ist es nicht putzig, wenn Fleischhacker, der früher den Protest gegen einen Regierungspakt mit rechtsextremen Populisten als Hysterie abtat, nun mehr Empörung einfordert?

Interessant aber, dass er den Schluss der Vergangenheitsdiskussion bejubelt und Burgers Weitsicht lobt, weil der "antifaschistische Karneval" am Ende sei. Hat Fleischhacker denn nicht begriffen, wie intellektuell dürftig es war, die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus als Anachronismus und historischen Mummenschanz zu verwerfen? Straches kriegsgeile Übungen sind eben nicht so fern wie der Trojanische Krieg. Die Nostalgien dieses Waldgängers sind unsere Gegenwart. Burger, der so feurig für die Coolness und mit Pathos für mehr Gelassenheit predigte, prophezeite hingegen, als das BZÖ entstand, den endgültigen Untergang der Freiheitlichen, weil die Zeit des dritten Lagers ohnehin vorbei sei. Sind diese Trugschlüsse dem Lob des Vergessens zum Opfer gefallen?

Kein Fastnachts-Treiben

Gegen Rassismus, gegen Hass und Übergriffe aufzutreten, ist kein Fastnachtstreiben. Sich für Säuglinge einzusetzen, die kaum in Österreich geboren, abgeschoben werden, und für Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft bei Polizeieinsätzen um ihr Leben fürchten, ist kein Gschnasspaß. Wer die Fotos von Strache sieht, wer das Gerede vom Paintball, von den Jugendtorheiten hört, wer noch die Worte von den konstruktiven Persönlichkeiten und vom Verfassungsbogen im Ohr hat, weiß, welchem Karneval wir beiwohnen. Die Maskerade, die aus Mitläufern Widerständler, aus Naziverbrechern honorige Bürger, aus den Mordskerlen der SS österreichische Parteifunktionäre, aus rechten Wehrsportübungen eine Jugendtorheit macht, dauert seit 1945 an.

All das wird im Roman Fasching von Gerhard Fritsch geschildert; ein Grundbuch österreichischer Literatur. Es erschien 1967, aber das Volksfest ist bis heute nicht vorüber, und, wie an Fleischhacker zu studieren ist, haben die Büttenredner und Faschingsprinzen immer noch Saison. (DER STANDARD, Printausgabe 10./11.2.2007)