RUMBA bedeutet unter anderem: Schiene statt Straße. Beim Demonstrationsvorhaben Thürnlhofgasse konnten unzählige Lkw-Fahrten durch die weitaus umweltfreundlichere Bahn ersetzt werden. Statt der 1,2 Millionen Lkw-Kilometer, die unter herkömmlichen Umständen notwendig gewesen wären (das entspricht 30 Erdumrundungen!), fuhren die Fahrzeuge lediglich 150.000 Kilometer, was in etwa vier Erdumrundungen entspricht.

Foto: Mischek Bau AG
Kyrill und Olli haben sich ordentlich ins Zeug gelegt. Seit der kürzlich präsentierten IPCC-Studie (Intergovernmental Panel on Climate Change) steht es nun Schwarz auf Weiß: Es findet ein Klimawandel statt, schuld daran ist der Mensch. Sollte es in den kommenden Jahren nicht gelingen, den CO2-Haushalt in den Griff zu bekommen, drohen für Mensch und Mutter Erde ziemlich heiße Zeiten. Dass man dabei die 2005 gefassten Kioto-Ziele nicht nur verfehlt, sondern völlig aus den Augen verloren hat, fällt als nachgeweinte Krokodilsträne nicht weiter ins Gewicht.

Jährlich bläst Österreich weit über 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre, Tendenz steigend. Allein der Gebäude- und Bausektor verantwortet davon über ein Drittel. Noch schlimmer sieht es beim Feinstaubaufkommen aus. Laut des so genannten Emissions-Katasterplans für Wien (Emikat), erstellt von arsenal research, beträgt das jährliche Feinstaubaufkommen in Wien über 1000 Tonnen. Allein der Baustellenverkehr schlägt mit 70 Tonnen Feinstaub zu Buche, die Partikelemissionen der Baumaschinen verursachen jährlich sogar zusätzliche 270 Tonnen des nicht zu bändigenden Staubes.

Erste Schritte

Mit den mittlerweile halbwegs etablierten Standards rund um Niedrigenergie- und Passivbauweise wurden in den letzten Jahren bereits erste Schritte gesetzt, um die Umweltauswirkungen innerhalb der Architektur auf ein Minimum zu reduzieren. Wer nachhaltig baut und in Folge weniger heizen muss, schont dabei nicht nur die Ökologie, sondern auch sein Portemonnaie. Mit diesem Argument lässt sich ein erheblicher Anteil der Häuslbauer locken. Das ist nur gut und recht.

Doch wie sieht es mit dem Bauen selbst aus? Zu keinem anderen Zeitpunkt verbraucht ein Gebäude mehr Energie als während seiner Entstehung. 90 Millionen Tonnen Material werden in Österreich im Zuge der Wertschöpfungskette jährlich verbaut – das sind 43 Prozent des gesamten Ressourceneinsatzes innerhalb von Österreich. "Bauen ist nichts Ökologisches, ja es ist sogar die größte Umwelt-Belastung, die es gibt", erklärt Architekt Martin Treberspurg, der auf dem Gebiet ökologischen Bauens einer der Vorreiter ist. Die Abrissbirne verschlingt Energie, ebenso der Abtransport von altem Schutt und Aushubmaterial, von der Herstellung neuer Materialien und dem eigentlichen Bauprozess gar nicht erst zu sprechen. Trebers-purg: "Der Energieaufwand für die Herstellung von Baumaterialien beträgt rund zehn Prozent jener Energie, die das Bauwerk in der Zeitspanne seiner 80-jährigen Lebensdauer benötigen wird. Das ist enorm."

Aus diesem Grund gab die Stadt Wien vor einigen Jahren ein Forschungsprojekt in Auftrag, das sich vor allem den Themen Baustellen-Logistik und Emissionslinderung widmen sollte. Gefördert wurde es zu einem erheblichen Anteil aus EU-Life-Geldern. Nach insgesamt drei Jahren kam das Projektkonsortium – bestehend aus der Ökotechna, der Mischek Bau AG und dem Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds – zu einem vorläufigen Schluss und präsentierte die neuen Richtlinien für eine umweltfreundliche Baustellenabwicklung, kurz RUMBA genannt. Die erstellten Richtlinien sollten nicht in der Theorie-Schublade verkommen, es wurde der Bau eines Demonstrationsvorhabens beschlossen.

Baumaterial per Schiff und Güter-Bim

Wien 2007. Unweit des Zentralfriedhofs werden knapp tausend Wohnungen aus dem Boden gestampft. Der erste Bauteil des städtebaulichen Areals Thürnlhofgasse steht unmittelbar vor Übergabe und ist zum Teil sogar schon bezogen, der zweite Bauteil wird gerade betoniert. Auf den ersten Blick ist dieses Areal, dessen einzelne Projekte im Zuge eines Bauträger-Wettbewerbs generiert wurden, nichts Ungewöhnliches: geförderter Wohnbau aus unterschiedlichster Architektenhand, ein Gebäude reiht sich ans andere, teilweise ganz hübsch, teilweise ganz fad. Ins Guinness-Buch der Rekorde wird es die Architektur wohl nicht schaffen.

Gewiss aber die Baustelle. Denn sie gilt als "die umweltfreundlichste Baustelle Europas". Und das ist nicht nur ein PR-Gag, sondern im europaweiten Vergleich eine Wahrheit, die sich in Zahlen ausdrücken lässt, bestätigt Thomas Romm vom beteiligten Mediations- und Beratungsunternehmen raum & kommunikation.

Bereits in der Ausschreibungsphase wurde den Teilnehmern ein Konvolut mit dem RUMBA-Forschungsergebnis in die Hand gedrückt. Bauträger und Architekten wurden gleichermaßen dazu aufgefordert, im Zuge der Projekteinreichung logistische, technische und gestalterische Vorschläge miteinzubringen, wie dem Aspekt der Bauökologie am besten Rechnung zu tragen sei. Die einen schlugen vor, das Baumaterial per Schiff und Güter-Bim an Ort und Stelle zu bringen, die anderen überlegten sich, wie sich der Bauaushub reduzieren oder etwa als Akustikbarriere für die nahe gelegene Schnellstraße S1 verwenden lässt. Wiederum andere setzten auf eine umfassende Fertigteilbauweise oder den gezielten Einsatz lokal verfügbarer Baustoffe.

Keine zusätzliche Feinstaub-Belastung

Von den umgesetzten Ideen betrifft die erheblichste Maßnahme den Materialtransport. Wo es möglich war, wurde die Bahn eingesetzt, Lkw-Fahrten hingegen wurden lediglich bis zu einer Distanz von 15 Kilometern gestattet. Jene Baufirmen, die diese Distanz überschritten, mussten pro Lkw-Fahrt ein zusätzliches Entgelt von 75 Euro leisten. Auch wer mit alten und ausrangierten Fahrzeugen der Emissionsklasse Euro 1 oder Euro 2 unterwegs war, musste tief in die Tasche greifen. "Es hat uns schon verblüfft, dass tatsächlich 90 Prozent aller Fahrten mit emissionsarmen Euro-3-Fahrzeugen unternommen wurden", sagt Thomas Romm, "das bedeutet, dass der ohnehin benachteiligte Ballungsraum nicht zusätzlich mit unnötigem Feinstaub belastet wird."

Unterm Strich ist es gelungen, mit den strengen RUMBA-Richtlinien so manchen Bauunternehmer-Starrsinn ein wenig zu lockern. Die meisten Baufirmen lieferten per Bahn, setzten emissionsarme Lkws ein und steigerten die Effizienz, indem sie ihre Fahrzeuge um einen Anhänger erweiterten. "Der Güterverkehr macht in der Stadt einen erheblichen Anteil an Lärmbelästigung und umweltschädlichen Emissionen aus", erklärt Robert Korab, Geschäftsführer von raum & kommunikation, "und ich muss gestehen, dass mich die Einsparungspotenziale selbst verblüfft haben."

Rechnet man im Massenwohnbau mit rund 60 (!) Lkw-Fahrten pro zu errichtende Wohnung, konnten die Lkw-Fahrten beinahe auf die Hälfte reduziert werden. Bei 450 Wohnungen, die bisher fertig gestellt wurden, sind das immer noch 14.200 Fahrten. Dadurch dass entweder aus unmittelbarer Nähe geliefert oder auf größere Distanzen die Bahn verwendet wurde, konnte auch die Gesamtzahl der gefahrenen Kilometer reduziert werden. Während ein herkömmliches Bauvorhaben dieser Größe – empirische Werte belegen das – die Lkws auf eine 1,2 Millionen Kilometer weite Fahrt schicken, fuhren die Fahrzeuge im Fall von RUMBA lediglich 150.000 Kilometer. Das ist eine Einsparung von über 85 Prozent. Der Bedarf an Baustrom konnte um 20 Prozent verringert werden, bei den Emissionswerten wurde eine CO2-Einsparung im Ausmaß von über 800 Tonnen erzielt, bestätigt Marianne Leitgeb-Zach vom Verkehrsplanungsbüro Rosinak & Partner.

Geringe Mehrkosten

"Früher galt, dass die Errichtungskosten nur zehn Prozent der Erhaltungskosten eines Gebäudes ausmachen", erklärt Thomas Romm, "doch im Niedrigenergiesektor sieht das Verhältnis anders aus, bei Passivhäusern kann man sogar davon ausgehen, dass die Errichtung beinahe 90 Prozent der Gesamterhaltungskosten ausmacht." Umso mehr sei dies ein Grund, Bauherren und Bauträger zum ökologischen Bauen aufzufordern.

Die Mehrkosten für eine sorgfältig gecoachte Baustelle anhand der RUMBA-Richtlinien machen gerade einmal ein Prozent der Gesamtbaukosten aus. Das ist ein billiger Obolus, wenn man bedenkt, welch hohe Langzeitkosten im Bereich von Gesundheit und Umweltschutz eingespart werden können. In diesem Sinne ist das ressourcenschonende Bauen nicht nur ein Tribut an die Ökologie, sondern auch an die Volkswirtschaft. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.2.2007)