Arcadi Volodos (Jahrgang 1972): "Ich war kein Wunderkind und hatte auch keine Ambitionen."

Foto: Sony BMG

Volodos hat sich nach vier Jahren CD-Pause eine Aufnahme mit Stücken von Franz Liszt abgerungen.


Was über sein Spiel so gedacht wird, interessiert Arcadi Volodos nicht sonderlich. Sicher, die gute Meinung anderer ernährt einen. Man sei aber selbst sein brutalster Hörer, so der Russe: "Die Reaktionen während des Konzertes finde ich zwar informativ, der Applaus nach Konzertende ist aber schon sehr von Traditionen geprägt und nicht aussagekräftig. Da war dieser Abend in Südamerika. Am Ende wollte ich mich verbeugen, aber da war kein Applaus! Alle kamen auf die Bühne und schenkten mir Blumen!"

Eine lustige Erfahrung. Eine, die für die vielen "mühsamen Reisen" entschädigt, die so ein Virtuosenleben nach Meinung von Volodos mit sich bringt. "Man braucht, das hat ein berühmter Kollege gesagt, als reisender Pianist einen gesunden Schlaf und einen guten Magen. Das Herumfahren ist wirklich nicht so toll. Ich gebe nicht mehr als 40, 50 Konzerte pro Jahr." Er führt dieses Leben seit 1997, nachdem seine bei Sony erschienene erste CD ob der seltenen Virtuosität die Szene nachhaltig beeindruckte.

Hätte aber alles auch anders kommen können. Volodos' Eltern waren zwar Musiker, beide Sänger, er allerdings begann Klavier erst mit acht zu spielen. Und wirklich zu üben eigentlich gar mit fünfzehn. "Als ich dann ernsthaft begann, war ich weit zurück hinter meinen Altersgenossen. Ich war auch kein Wunderkind, und ich hatte auch keine Ambitionen." Immerhin habe er so etwas vermieden, was viele junge Talente tun: "Ihre Kindheit zu vernichten! Ich habe gelebt." Auch jetzt übe er nicht viel, eher nur auf Tourneen, so Volodos. "Ich lebe jetzt in Paris, da kann ich auch nicht wirklich spielen - die Nachbarn fühlen sich belästigt durch meine Musik." Volodos kann das am Ende gar verstehen. Er erholt sich gerne in der Natur. Auf Tourneen fotografiert er gerne, auch ein stilles Hobby, nimmt gar Filme auf, um etwas festzuhalten. "Es geht alles so schnell, und je älter ich werde, desto mehr scheint sich die Geschwindigkeit des Lebens zu erhöhen."

Da sitzt man nun mit ihm im Berliner Teldex-Studio und er spielt so ein bisschen aus der nun erscheinenden Liszt-CD, pendelt zwischen energischen Ausbrüchen und einer unglaublichen Sanglichkeit der Linien und erzählt von den Aufnahmen, und es ist dann aber klar: Hier nahm sich einer Zeit, um Bleibendes zu schaffen; da ist keine Indifferenz.

Volodos hat vier Jahre lang keine CD aufgenommen, weil er mit seinen alten Aufnahmen nicht zufrieden war. Um nun nicht nachlässig zu erscheinen, hat er erst sehr lange ein geeignetes Klavier (Steinway & Sons) gesucht und auch bezüglich des Aufnahmezeitplans recht eigenwillig agiert. Sechzig Minuten Musik wurden in drei aufzunehmende Teile geteilt. Für jeweils 20 Minuten Musik wurden dann vier Aufnahmetage fixiert; Volodos hat dabei von einem Stück an die zwanzig Versionen aufgenommen ...

Zwischen den drei Sessions vergingen Monate. Ja, und die Aufnahmen fanden "immer in der Nacht statt - Tags über habe ich keine Inspiration. In jedem Fall spiele ich das Stück immer als Ganzes - ich hasse nachträgliche Verbesserungen einzelner Passagen!"

Aber zwanzig Versionen!? "Natürlich hat man eine ideale Version im Kopf, genauso wie ich glaube, dass das eigentliche Üben im Kopf stattfindet. Dennoch muss man beim Spielen vieles durchtesten, das ist das Reizvolle: Eine Idee vielfach ausdrücken."

Als Teil einer bestimmten Tradition fühlt er sich nicht: "Das ist ein Begriff, der künstlich geschaffen wurde, um Beziehung zwischen Pianisten zu konstruieren. Das stört mich, mir gefällt, was Toscanini gesagt hat: ,Tradition ist die letzte schlechte Interpretation.'" Man habe, so Volodos, um etwas Neues, Eigenes zu ringen. Wenn man Glück hat - mit Kollegen, einem Dirigenten etwa.

Volodos: "Es gibt natürlich Dirigenten, die kommen, es gibt nur eine Probe, und das ist dann letztlich nicht genug. Auch kann man ein super Dirigent sein und doch kein guter Begleiter. Es hilft allerdings, wenn der Dirigent selbst Pianist ist und das Werk schon gespielt hat. Mir hat einer, ich nenne keine Namen, gesagt: ,Wenn ich einen Solisten begleite, dann bin ich dessen Sklave!' Schön! Wenn ich Dirigent wäre, wäre ich auch der Sklave des Solisten - ich weiß, was sie durchgemacht haben, bis sie so weit kamen." (Ljubisa Tosic aus Berlin / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2007)