Das junge Londoner Trio Klaxons gilt als Aushängeschild der international gerade heftig und laut durchstartenden "New Rave"-Szene.

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Sie kommen alle zurück. Das Revival von New Wave aus den 80er-Jahren klingt gerade ab. Jetzt werden die 90er-Jahre und der gute alte Böllertechno wiederbelebt - allerdings von unerwarteter Seite.


Wien - Wenn man im elektronischen Fotoarchiv dieser Zeitung den Suchbegriff "Rave" eingibt, erhält man neben Hunderten Fotos von Nackttänzern auf der Berliner Love Parade auch interessante Dokumente wie jenes von "Waterworld" aus dem Freizeitbad Mülheim-Kärlich im deutschen Landkreis Mayen-Koblenz aus dem Jänner des Jahres 2000. Damals handelte es sich "mit mehr als 3500 Techno-Fans" um das bis heute "größte Techno-Rave im nassen Element in Deutschland".

Ungefähr dort und zu dieser Zeit ist damals auch die Raveszene zum in der "Bild-Zeitung" und in der "Bravo" gepuschten Bauern-Techno der Berliner Band Scooter und ihrem Hit "Hyper Hyper" endgültig in der Geschäftemacherei von mit Laserlicht und Fliegeralarm-Sirenen befeuerten Großraumdiscotheken, Sangria-Wetttrinken und Wet-T-Shirt-Contests abgesoffen. Wer die letzten Jahre mit Kuhfellstiefeln und Plateausohlen, Trillerpfeifen, Gasmasken und Neonwürsten zu einer frühmorgendlichen Tanzveranstaltung ging, wurde möglicherweise ganz ohne Drogentest schon vor der Tür an eine medizinische Einrichtung weiterverwiesen.

Weil aber Frohsinn und Schabernack jeder Generation zustehen und die heute 16- bis 22-Jährigen die Hochblüte der Raveszene Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre schlichtweg nicht miterleben konnten, zeichnet sich schon seit längerem die Rückkehr von Rave ab. Nicht nur die besagten Scooter versuchen sich jetzt mit dem neuen Album "The Ultimate Aural Orgasm" an einem Comeback im alten Haudrauf-Stil ebenso wie der seriösere Wiener Technoveteran Patrick Pulsinger. Der packte nach Ausflügen in die Hochkultur ("Schwanensee Remixed") und diversen Produktionsjobs (Trio Exklusiv, Patrick Wolf ...) für die neue, an seine Technoarbeiten aus den frühen 90er-Jahren anschließende CD "Dogmatic Sequences. The Series 1994-2006" ebenfalls wieder die alten Synthesizer und Drumcomputer aus.

Schon 2005 ortete das Berliner Magazin "für elektronischen Lebensstil", "De:Bug", die Rückkehr zu den rohen direkten Techno-Sounds der guten alten Zeit: "Rave strikes back - Nach dem Rave ist vor dem Rave!" Lustig machende Drogen haben schließlich auch immer Saison.

Dass Raves heute allerdings nicht mehr so wie in der Frühzeit illegal in alten Fabrikshallen, ungenutzten U-Bahn-Stollen oder unter Autobahnzubringern stattfinden, sondern kommerziell in Clubs über die Bühne gehen, liegt wohl an der Kommerzialisierung noch jeder Subkultur.

Interessanterweise erfährt das Genre jetzt von Großbritannien aus eine Neubelebung von unerwarteter Seite. Ausgerechnet vom sinistren Rock-'n'-Rollen und Den-Pete-Doherty-Geben müde gewordene Gitarrenbands aus der klassischen Britpop-Tradition versuchen, einer alten Nebenschiene des Rave, der damals in Manchester beheimateten "Madchester Scene", neue Aspekte abzugewinnen.

Sportive Subversion

Traditionelle Bands wie die Happy Mondays oder die Stone Roses, aber auch elektronische Formationen wie Altern8 oder Bizarre Inc. legten damals die repetitiven Charakteristika von HipHop oder Electro auf die Formensprache des Rock um. Sie gaben der anonym und ohne Körpereinsatz hergestellten DJ-Musik laut dem Berliner Magazin node "eine gesunde Portion Impertinenz und Triebhaftigkeit und die Einbindung eines physischen Akts. Rocken als (...) sportiver Subversionsakt, der in dieser Form sowohl für die elektronische, als auch die handgemachte Musikfraktion eine immense Sinnhaftigkeit erlangt."

Kontrollverlust, körperliche Arbeit am Instrument, Exzess, Exzentrik, Eitelkeit, Emotion: Zusätzlich zur Neusichtung dieses historisch gut abgehangenen Wechselbalgs gesellen sich jetzt bei neuen, unter dem Supertrend "Nu Rave" oder "New Rave" zusammengeholten britischen Bands auch härtere und aktuellere Bandagen; etwa auf Gitarren und vor allem auch mit dem Mundwerk gedroschener Punk und Hardcore sowie auf der tanzboden- und programmiertauglichen Seite Electro-Clash, Breakcore oder Grime. Die schon im Juli 2006 in Großbritannien veröffentlichte Kompilation "Digital Penetration" (www.alt-delete.co.uk) präsentierte dabei noch unter weitgehendem Ausschluss der (zentraleuropäischen) Öffentlichkeit junge und rotzige Acts, die jetzt Anfang 2007 zur nächsten Sensation in der Musikpresse aufsteigen.

These New Puritans zum Beispiel und ihre herrlich ruppigen Riff-Modulationen haben zwar bis dato nur eine längst vergriffene EP auf dem Markt (hören Sie ihren fantastischen Song "Elvis" auf www.myspace.com!). Sie durften in Paris aber gerade die Modeschau von Hedi Slimane und dessen Privatparty beschallen. Slimane stattet zwar noch bis auf Weiteres Pete Doherty aus. Der sollte sich aber langsam Sorgen machen.

Weitere Namen, ähnliche Sounds zwischen punkig-schrillen Schreddergitarren, quäkenden und quiekenden Billigsynthesizern und hektischen Muppet-Show-Schlagzeugern mit den schön stumpfen Itz-Itz-Itz-Sounds auf der Hi-Hat: Shit Disco, New Young Pony Club, Datarock, The Neon Plastix und vor allem die Könige des "New Rave", das Londoner Trio Klaxons.

Nach Singles wie "Gravity's Rainbow", "Atlantis To Interzone" oder "Magick", die sich textlich allesamt sehr smart auf "Kultautoren" wie Thomas Pynchon, William S. Burroughs, J. G. Ballard oder Aleister Crowley beziehen, liegt jetzt mit "Myths Of The Near Future" ein hinreichend hypetaugliches Debütalbum vor.

Dank ihrer Neigung zu verspielten Melodie-, Chor- und Psychedelikelementen in bester Britpop-Tradition dürften die Klaxons heuer ganz groß werden. Wie lange die Trendsportart "New Rave" anhält, erfahren wir dann 2008. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2007)