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Das Büro der Österreich Werbung hat alle Hände voll zu tun, um die zahlungskräftige Zielgruppe zu beruhigen.

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Innsbruck/Moskau/Wien – Emanuel Lehner, Leiter der Österreich Werbung in Moskau, sieht "eine gewaltige Lawine losgetreten". Seit Donnerstag seien "fünf Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt, Anfragen von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen zu beantworten", so Lehner zum Standard. Auch Auslandsösterreicher werden von russischen Medien um eine Stellungnahme gebeten, ob sich die Russen "wirklich so schlecht in Österreich benehmen".

Alles andere als entspannt sieht deswegen Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung, die Pläne des Nobelskiortes Kitzbühel, die Zahl der russischen Gäste kontingentieren zu wollen: "15 Millionen reisebereite Menschen fragen sich, ob sie im Urlaubsland Österreich willkommen sind." Es sei "kontraproduktiv, öffentlich über Quoten zu sprechen". Ins gleiche Horn stößt der Villacher Tourismusberater Manfred Kohl: "So etwas kann man intern planen, aber doch nicht öffentlich diskutieren. Manche Hotelbetriebe haben von interkulturellem Management leider keine Ahnung." Er verstehe den "realen Hintergrund, vor allem wenn es um Gruppen und um Alkohol geht". Schengelya Natella, stellvertretende Direktorin der russischen Tourismusagentur, sagte bei einer kurzfristig in der russischen Botschaft in Wien einberufenen Pressekonferenz am Donnerstagabend, die Vorbehalte seien "absolut haltlos und absurd". Eine Quotenregelung sei eine "Ausgrenzung und im Widerspruch zu jeglicher wirtschaftlicher Logik". Mit Verweis auf Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der zuvor die Äußerungen über eine "Russen-Quote" als "unerfreulich" bezeichnet hatte, sagte sie: "Wir fühlen uns nicht beleidigt." Was zähle, seien die Aussagen der offiziellen Stellen.

Schadensbegrenzung

In Kitzbühel ist man nach der heftigen Kritik im In- und Ausland nun um Schadensbegrenzung bemüht und bestreitet, eine Kontingentierung von zehn Prozent der Nächtigungen anzustreben. "Wir müssten ja einen Vogel haben", sagt der Obmann von Kitzbühel Tourismus, Christian Harisch. "Wir sind an einer Verfünffachung interessiert." Derzeit betrage der Anteil zwei Prozent, zehn Prozent Russen würden angestrebt. Harisch spricht von einer Medienente. Der ORF habe berichtet, es gäbe eine interne Empfehlung des Hotelvereins, nicht mehr als zehn Prozent der Kontingente an russische Veranstalter zu vergeben. Harisch: "Die gibt es nicht. Ich sitze selbst mit mehreren Betrieben im Hotelverein." 16 der 20 Vier- und Fünfsternehotels sind darin vereint. Sollten einzelne Hoteliers nur Gäste aus einem Land wollen, sei das ihre Sache. Rundherum wird Quoten-Ideen eine Absage erteilt, vom Landeshauptmann bis zu den Tourismusobleuten. Harisch bestätigt, dass es Engpässe gab, „aber nicht bei uns, sondern an den Flughäfen Innsbruck und Salzburg am großen Russen-Anreisetag“, dem ersten Samstag im Jänner. Ähnlich wie in Kitzbühel ist man auch in Mayrhofen "froh, dass die Russen Lücken füllen", sagt der Chef des Tourismusverbandes, Martin Schäffl. Heuer kamen 15 Prozent mehr. In vielen Tiroler Gemeinden gab es im Jänner Einbrüche: In Kitzbühel ein Minus von zehn Prozent.

Spendierfreudiger als andere

Tirol ist laut Tirol Werbung "Russen-Destination Nummer eins" in Österreich, mit einem Zuwachs von rund 200 Prozent in fünf Jahren. Allerdings auf sehr niedriger Basis: Der Anteil an russischen Gästen in Tirol beträgt 0,5 Prozent (41.000), der an Übernachtungen 0,65 Prozent (273.000 bei gesamt 42 Millionen). Faktum ist, dass russische Gäste spendierfreudiger als andere sind: Laut Mehrwertsteuer-Rückerstatter Global Refund gibt ein Durchschnittsrusse in Österreich 503 Euro pro Einkauf aus, ein Japaner 285 Euro, ein US-Amerikaner 390 Euro. Getoppt werden die Russen noch von den Ukrainern – mit 621 Euro. Fürs Erste sei noch schwer einzuschätzen, welche Auswirkungen der Rummel für das Segment der reichen Touristen hat, sagt Dima Krotov vom Reiseveranstalter Mondial Booking Center in Moskau. Einige russische Medien würden sicher aufbauschen, dass Russen wieder eine Antipathie im Westen entgegenschlägt. Österreich-Werber Lehner hofft, dass der Skandal keine Schäden hinterlässt: "Wir werden alles unternehmen, um die Aufregung zu beschwichtigen." Ein Nachgeschmack bleibe, sagt Krotov: "Aber die Russen werden Österreich zweifellos weiter lieben." (Jürgen Pucher, Benedikt Sauer, Eduard Steiner, Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2006)