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Jede Stimme zählt: Der Chef der portugiesischen Kommunisten, Jeronimo de Sousa, auf einer "Pro-Referendum"-Kundgebung am Donnerstag.
Foto: APA/epa/Andre Kosters
Lissabon - Am kommenden Sonntag sollen die PortugiesInnen in einem Referendum entscheiden, ob der Abbruch von Schwangerschaften in den ersten zehn Wochen künftig straffrei sein soll. Portugal hat derzeit eines der strengeren Abtreibungsgesetze in Europa. Schwangerschaftsabbrüche sind nur erlaubt, wenn eine Frau vergewaltigt wurde, ihr Leben in Gefahr ist oder das Kind schwer behindert sein wird. Bis zu drei Jahren Gefängnis drohen Frauen wie Ärzten für die Durchführung einer illegalen Abtreibung.

Umfragen erwarten Änderung

Letzte Umfragen prophezeien, dass eine Mehrheit der PortugiesInnen einer Reform zustimmen wird. Doch von Tag zu Tag holen die AbtreibungsgegnerInnen den Rückstand auf. Nach der neuesten Umfrage der Zeitung "Diario de Noticias" ist die Zahl der AbtreibungsbefürworterInnen in der letzten Woche von 72 auf 54 Prozent gesunken. "Schon vor neun Jahren hatten wir beim ersten Referendum zu diesem Thema ähnlich positive Umfrageergebnisse und unsere Anhänger waren so siegessicher, dass keiner mehr zur Wahl ging", erklärt die Abtreibungsbefürworterin Claudia Belchior von der "Bürgerbewegung für das Ja". Damals blieben der Volksabstimmung mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten fern, so dass die vorgeschriebene Mindestbeteiligung von 50 Prozent verfehlt wurde und die Reformierung der Abtreibungsgesetze zudem von einer knappen Mehrheit abgelehnt wurde.

Abtreiben im Untergrund

Nach Angaben Belchiors treiben in Portugal jährlich über 20.000 Frauen illegal "unter unwürdigen Verhältnissen" ab und müssen dafür mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Nach Schätzungen der portugiesischen Vereinigung für Familienplanung (APF) liegt die Dunkelziffer sogar noch höher. "Wir gehen jährlich von bis zu 40.000 illegalen Abtreibungen aus, die oftmals von Hebammen oder Krankenschwestern in Privatwohnungen durchgeführt werden, die nur selten den hygienischen Anforderungen einer chirurgischen Operation entsprechen. Das Gesundheitsrisiko für die Frauen ist enorm", erklärt Duarte Vilar von APF und erhält dabei Unterstützung von ganz oben. "Die illegalen Abtreibungen sind eine nationale Schande. Portugal muss seine Rückständigkeit zu den anderen europäischen Ländern wettmachen", empörte sich auch Portugals sozialistischer Ministerpräsident Jose Socrates.

Seit 2002 dutzende Anklagen

Viele Frauen treiben laut Vilar auch ohne ärztliche Kontrolle mit Medikamenten selber ab und landen anschließend mit Komplikationen in öffentlichen Krankenhäusern. Allein im vergangenen Jahr waren es 11.000 Frauen, die sich nachbehandeln lassen mussten und dabei eine Anzeige riskierten. Seit 2002 standen 40 Frauen, ÄrztInnen und Krankenschwestern wegen illegaler Abtreibungen vor Gericht. Zwar entgingen die Frauen einer Gefängnisstrafe, da sie schworen, dass es sich um einen spontane Fehlgeburt handelte. Aber für die AbtreibungsbefürworterInnen ist dieser mündliche Pakt zwischen Justiz und Frauen nicht hinnehmbar. "Dieser Pakt untermalt nur, mit welcher Scheinheiligkeit die portugiesische Bevölkerung dieses Tabu-Thema behandelt", sagt Belchior. Die derzeitige Situation in Portugal sei "absolut inakzeptabel in einem europäischen Land im Jahre 2007", meint die Abtreibungsbefürworterin, die selbst mit 17 Jahren ihr Kind abtrieb.

Reizthema

Die Abtreibungsdebatte spaltet die PortugiesInnen wie kein zweites Thema. Selbst die politischen Parteien wagen es aus diesem Grunde nicht, in die Kampagne einzusteigen, und erlösten selbst ihre Abgeordneten von der Parteidisziplin beim Referendum. Auch die katholische Kirche hält sich zurück. "Wir beschränken uns darauf, in der Messe an das Gewissen der Menschen zu appellieren und die Organisationen, die für das 'Nein' werben, so gut es geht zu unterstützten", sagt Jorge Ortiga, Vorsitzender der portugiesischen Bischofskonferenz. Er fordert vielmehr eine Familienpolitik, die werdende Mütter und arme Familien in der Form unterstützt, dass ihnen die Angst vor einem Kind genommen wird. (APA)