Wien - Der Wettbewerb im Literaturgewerbe wird härter. Er wird es ja auch sonst überall. Und wer hat oder nimmt sich schon noch die Zeit, Romane zu lesen? Umso gründlicher will diese wackere Zielgruppe umworben werden. Vergleichende Buchwerbung ("Unser Roth ist besser als euer Powers!") ist zwar momentan noch tabu, aber die Verlage fahren in den Ankündigungen ihrer Bücher im Frühjahr 2007 auch so schwere Geschütze auf.

Kiepenheuer & Witsch bringt als Spitzentitel im März Liebe heute, einen Band mit Kurzgeschichten von Reizfigur Maxim Biller, der sich in seinem neuen Buch offenbar in Richtung gehobener Kitsch bewegt.

"Sehnsüchtige Geschichten über das eine - die Liebe", kündigt jedenfalls sein Verlag an. Und behauptet: "Inniger ist von Verliebten, Enttäuschten und Getäuschten noch nicht geschrieben worden." So voll wird der Mund allerdings auch nicht alle Tage genommen.

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Bei Rowohlt steht die Saison im Zeichen von Jonathan Franzens autobiografischer Geschichte Die Unruhezone, die ebenfalls im März erscheint. Der Verlag verspricht "ein vielfarbiges, zwischen komisch-trotziger Selbstbefragung und Empathie oszillierendes Porträt".

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Beim Ableger Rowohlt Berlin deutet Max Goldt in QQ wieder mal stilsicher die Welt.

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Hoffnungen setzt man auch auf Arlington Park, einen Gesellschaftsroman der Kanadierin Rachel Cusk, der "scharfsinnig, böse, stilistisch brillant" sein soll.

Und so weiter. "Schonungslos, einfühlsam, temporeich, leidenschaftlich" - darunter darf es Literatur in Zeiten, in denen in erster Linie Elke Heidenreich bestimmt, was in Massen gelesen wird, nicht mehr geben. Von Jahr zu Jahr, scheint es, stocken die Verlage in ihrer Buchwerbung um ein weiteres Adjektiv auf. Und dienen die Werke ihrer Autoren damit immer mehr einem fragwürdigen Wellness-Zeitgeist an.

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Beim Durchblättern der Verlagsprospekte für das Frühjahr 2007 entsteht der Eindruck, Romane seien heute primär dazu da, die Stimmungslagen und Gefühlsbedürfnisse ihrer potenziellen Leser zu befriedigen. Schöner symbiotischer Effekt: Die Leser wissen aus der Werbung bereits, wie sie sich bei der Lektüre fühlen sollen. Blöd nur, falls die Bücher doch nicht ganz halten sollten, was versprochen wurde.

Die österreichischen Verlage sind in ihren Ankündigungen noch vergleichsweise sehr dezent. Einfach als "eine große Erzählung" bezeichnet Zsolnay Die flüsternden Seelen den dieser Tage erschienenen jüngsten Afrika-Roman von Bestsellerautor Henning Mankell.

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Ebenfalls im Februar und mit Afrika-Schwerpunkt kommt bei Haymon Raoul Schrotts Die fünfte Welt. Ein Logbuch, "ein poetisches Manifest über die Rätselhaftigkeit alles Entlegenen".

Der Otto Müller Verlag bringt im März Zweischritt von der Biologin und Autorin Andrea Grill, die wie Michael Stavaric (Residenz) zu den hiesigen Zukunftshoffnungen gezählt wird. Und bei Droschl erscheint in dieser Woche Die algerische Verblendung, der erste Roman von Standard-Kulturredakteur Ronald Pohl.

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Auffällig ist, dass die erfolgreicheren österreichischen Autoren im Frühjahr kaum publizieren. Wegen des Weihnachtgeschäfts gilt ein Erscheinungstermin in der ersten Jahreshälfte als wirtschaftlich nachteilig und so peilen die Stars für ihre Bücher eine Veröffentlichung im Herbst an. Für Freunde von Kehlmann, Geiger & Co heißt es: bitte warten.

Eine Ausnahme stellt Josef Haslinger dar. Nach anfänglichen Bedenken ("Ein paar Monate lang war ich ziemlich sicher, dass ich dieses Buch nicht schreiben würde") hat er mit Phi Phi Island nun doch einen Bericht über seine Beobachtungen während der Tsunami-Katastrophe geschrieben, veröffentlicht wird dieser im März im S. Fischer Verlag.

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Bei Hanser untergekommen ist Lilian Faschinger mit ihrem Wien-Roman Stadt der Verlierer, den der Verlag "skurril, komisch, makaber und höchst spannend" findet.

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Bereits in diesen Tagen erscheint ein neuer Text von Peter Handke. Im Suhrkamp-Katalog stellt der Autor Kali. Eine Vorwintergeschichte selbst vor: "Ich habe im vergangenen Sommer eine Geschichte geschrieben, die von einem vermissten Kind handelt. Ich habe eine Meisterin im Wiederfinden erfunden, so eine, die geholt wird, wenn einem die Kontaktlinse in den Kies fällt."

Das hört sich jetzt zugegeben weder skandalträchtig noch besonders spitzentitelmäßig an, macht aber umso mehr Lust aufs Selbstentdecken. Ein Vorschlag: Vielleicht möchte der eine oder andere Verlag ja Peter Handke als Texter anwerben? (Sebastian Fasthuber /DER STANDARD, Printausgabe, 06.02.2007)

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Ausführliche Rezensionen der Romane von Peter Handke und Ronald Pohl lesen Sie am kommenden Wochenende im ALBUM.

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