Spanische Erdbeeren mitten im Winter sind längst nichts Exotisches mehr in den europäischen Supermärkten. Die Plantagenwirtschaft nimmt allerdings keine Rücksicht auf die Natur.

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Vicente Conde ist zufrieden. Die Lkw-Ladefläche ist voll. Ein Stapel von Steigen voller schön gewachsener roter Erdbeeren reiht sich an den nächsten. "Der Erlös ist gut", freut sich der Besitzer von zehn Hektar Erdbeerfeldern unweit des südspanischen Nationalparks Doñana.

Es ist Februar. Der Markt in Mittel- und Nordeuropa lechzt regelrecht nach den frühen Früchten. Bis zu 10.000 Euro lassen sich mit einem Hektar verdienen. "Kein schlechtes Geschäft", gibt Vicente Conde zu. Fresconde, so der Name seines Familienunternehmens, ernährt ihn bereits seit mehr als zwölf Jahren.

Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler. Fresconde gehört zu den Unternehmen, die Umweltschutzorganisationen als "doppelt illegal" bezeichnen, sowohl was die Land- als auch was die Wassernutzung angeht.

Vicente Condes Vater pachtete einst von der Gemeinde Lucena ein Waldgebiet zur Bewirtschaftung. Anstatt Pinienkerne aus den Pinienzapfen zu klauben, rodete die Familie die zehn Hektar und schlug vier Brunnen - allerdings ohne Genehmigung.

"Das haben hier alle so gemacht"

Einer Schuld ist sich Vicente Conde dennoch nicht bewusst. "Das haben hier alle so gemacht", sagt er. Die Gemeinde- und Regionalverwaltungen schauten einfach weg. Andalusien war arm. Erdbeeren brachten endlich Arbeit und bescheidenen Wohlstand. 300.000 Tonnen werden in der Region produziert, die Hälfte davon geht in den Export.

Fresconde ist kein Einzelfall. Überall rund um das weitverzweigte Mündungsdelta des Guadalquivir fressen sich die illegalen Plantagen in die Gemeindewälder. Beim Wasserverbrauch sieht es schlimm aus. 50 bis 70 Prozent des wichtigen Nasses kommen aus illegalen Bohrlöchern.

Sie aufzuspüren und zu schließen ist die Arbeit von Javier Serrano. Er ist Wasserkommissar des Beckens des Guadalquivir. Allein rund um die Erdbeerplantagen gibt es 1700 illegale Brunnen. "In vielen Fällen haben die Gemeindeverwaltungen die Leute zum Bohren animiert", erklärt Serrano. Seit zwei Jahren verfolgt seine Behörde dieses Treiben. 200 Anzeigen wurden erstattet, 20 Brunnen richterlich geschlossen. Eine Sisyphusarbeit.

Fluss trocknet aus

Die Folgen des Raubbaus an Wald und Wasser sind weiter unten im Nationalpark deutlich zu sehen. "Der Rocina-Fluss führt nur noch halb so viel Wasser wie vor 30 Jahren", berichtet Guido Schmidt. Der Deutschspanier ist der Wasserspezialist der spanischen Niederlassung der weltweit größten Naturschutzorganisation, dem World Wide Fund for Nature (WWF). Der Rocina führt fast das ganze Jahr über Wasser. Er reguliert somit den Wasserstand des 100.000 Hektar großen Feuchtgebietes, das sechs Millionen Zugvögeln als Zwischenstation auf ihren Flügen dient.

"Der Rocina trocknet immer früher aus", beschwert sich Schmidt. Einst geschah dies irgendwann im September. Im Oktober begann es dann wieder zu regnen. In den vergangenen Jahren kam bereits im Juni kein Wasser mehr. Die Lagunen werden immer kleiner, Teile des Feuchtgebietes versteppen. Und durch das Abholzen des Waldes nimmt die Bodenerosion zu.

Zwei Maßnahmen sollen Abhilfe schaffen. Zum einen versuchen die Naturschützer die Supermärkte in Europa dazu zu bringen, nur "doppelt legale Erdbeeren" einzukaufen. Zum anderen forschen sie, wie weniger Wasser und weniger Dünger eingesetzt werden können. Schätzungen zeigen, dass es möglich ist, den Wasserverbrauch um 25 Prozent, den Düngemitteleinsatz um 15 Prozent zu senken.

Zeit für einen radikalen Wechsel im Geschäft mit der Früherdbeere bleibt nicht viel. "Wenn wir nicht einschreiten, gibt es in wenigen Jahrzehnten im Doñana keine Feuchtgebiete mehr", ist sich Umweltschützer Schmidt sicher. (Reiner Wandler aus Doñana, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.2.2007)