Dorner über die Zulassungstests an den Medizin-Unis: "Ich glaube, dass die Studenten, die sich darauf eingestellt haben, gut damit zurechtkommen werden. So gut schätze ich unsere Maturanten schon ein. Es ist eben die einzige Möglichkeit."

Foto: Ärztekammer für Wien/Gregor Zeitler
Noch etwa sechs Wochen hat Österreich Zeit, auf den EU-Mahnbrief bezüglich der Quotenregelung an den Medizin-Unis zu reagieren. Warum es wichtig wäre, dass die Quote bleibt und wie man den Kampf gegen Brüssel um die österreichische Regelung aufnehmen sollte, erklärt der Präsident der Wiener Ärztekammer, Walter Dorner, im Gespräch mit derStandard.at . Langfristig würde sonst ein Ärztemangel drohen, widerspricht er den Aussagen von Gesundheitsökonom Christian Köck, der das angezweifelt hatte: "Dass wir in 30 Jahren noch einen Ärzteüberschuss haben, ist ein großer Schmäh", so Dorner. Die Fragen stellte Anita Zielina.

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derStandard.at: Steuern wir in Österreich einem Ärztemangel entgegen?

Dorner: Wenn wir die nächsten drei bis fünf Jahre hernehmen, dann nicht. Aber wenn wir die Prognosen ab 2013 betrachten, dann wird es sicherlich zu Engpässen kommen. Das ist alleine aus der Demographie heraus ersichtlich. Die Ärztezahl ist zwar seit 1987 bis heute von 18.000 auf 35.000 gestiegen, im langjährigen Durchschnitt waren zwar 270 Ärzte pro Jahr zuviel in der Ausbildung. Aber man muss bedenken, dass Leute ins Ausland gehen, den Beruf niederlegen oder sich beruflich verändern. Natürlich gibt es momentan, vor allem in den Ballungszentren, einen Überhang.

Aber das so wie der Herr Köck zu sagen, dass wir noch 30 Jahre lang einen Ärzteüberschuss haben werden, das ist ein großer Schmäh. Man braucht nur die Grundrechenkenntnisse der Volksschule hernehmen, dann weiß man, dass das nicht stimmt. Das wird alles sehr knapp.

derStandard.at: Wie sinnvoll ist die Quotenregelung zur Beschränkung des Zugangs an die Medizin-Unis?

Dorner: Sie ist sehr, sehr vernünftig angesetzt, sowohl aus Sicht der Uni als auch Sicht der Politik. Wenn die Quotenregelung bleibt, dann werden wir das notwendige Mindestmaß an Ärzten auch haben, das wir brauchen. Wir wollen ja auch Wissenschaftler haben, Forscher, die kann man ja in die normale Quote nicht einrechnen.

derStandard.at: Jetzt sieht es aber so aus, als würde die Quote von der EU gestürzt werden.

Dorner: Wir haben Wissenschaftsminister Hahn einen Brief geschrieben, wir haben gute Statistiken, wir wissen genau, wie viele Ärzte in den kommenden Jahren in Pension gehen werden, wie die Alterskurve aussieht. Das alles werden wir ihm zur Verfügung stellen, letztlich auch als Mittel im Kampf um die Quotenregelung gegen Brüssel.

Es kann ja nicht sein dass diese große EU sich das kleine Österreich aussucht und einen Truppenübungsplatz aus uns macht.

derStandard.at: Glauben Sie, dass die Entwicklung ohne Quote dramatisch wäre?

Dorner: Ja, das denke ich schon. Weil natürlich die Deutschen mit Begeisterung nach Österreich kommen, nicht nur, weil sie da studieren können ohne numerus clausus. Ich sehe nicht ein, dass die Republik Österreich den EU-Raum mit Steuergeldern noch mehr finanziert, als wir das als Nettozahler ohnehin schon machen.

derStandard.at: Fürchten Sie, dass viele Deutsche nach dem Studium zurück in ihr Heimatland gehen?

Dorner: Ich glaube schon, dass von denen, die bei uns studieren, zumindest die Hälfte wieder zurück nach Deutschland gehen würde. Das hat man jetzt schon gesehen - nur sehr wenige, die bei uns studiert haben, sind hier geblieben.

derStandard.at: Gibt es außer der Quote ein Modell, dass sich die Ärztekammer vorstellen kann?

Dorner: Die Wiener Ärztekammer ist ständig in Kontakt mit der Med-Uni Wien, man wird sich sicher etwas Gutes einfallen lassen und daran wird auch gearbeitet. Der erste Schritt ist jetzt aber einmal Aufgabe der Politik, und ich bin guter Dinge, dass sich Lösungen finden werden.

derStandard.at: In den nächsten Tagen beginnen die Voranmeldungen zum Medizinstudium 2007. Was halten Sie von den Aufnahmetests?

Dorner: Wir haben für unsere Turnusärzte von der Med-Uni Wien einen Bogen aus dem Vorjahr angefordert, damit wir in etwa wissen, wie das aussieht, und ich finde die Fragen gar nicht schlecht. Ich glaube, dass die Studenten, die sich darauf eingestellt haben, gut damit zurechtkommen werden. So gut schätze ich unsere Maturanten schon ein. Es ist eben die einzige Möglichkeit. Man muss bedenken: Österreich hat fast nur Elite-Universitäten, die TU, die Medizin-Unis. Durch unsere Minimalstudiengebühr sind unsere Unis eine ganz tolle Möglichkeit, sich als Österreicher qualifiziert auszubilden.

derStandard.at: Kann man an einem Test überhaupt erkennen, ob jemand einmal ein guter Arzt wird?

Dorner: Wissen sie, das haben wir auch nicht gewusst, als wir begonnen haben, Medizin zu studieren. Wer mit Medizin anfängt, der muss schon ein gewisses soziales Bewusstsein haben, der muss einen Drang zur Kommunikation, einen Hang zur Dienstleistung haben, sonst kann er gar nicht Arzt werden.

derStandard.at: Um bei der sozialen Kompetenz zu bleiben – Was halten Sie vom Modell Studiengebührenerlass für Soziale Arbeit?

Dorner: Ich glaube, dass alle diese Möglichkeiten ja auch durchaus positiv auf die Entwicklung eines jungen Menschen wirken. Warum sollte das nicht gut sein, das wird niemandem schaden, sich sozial zu betätigen.

derStandard.at: Und eine Belohnung dieses Engagements durch Studiengebührenbefreiung?

Dorner: Das kriegt ja ohnehin jeder, der gut studiert! Es kann ja heute jeder, der exzellent studiert, der in der Zeit studiert, ein Stipendium kriegen.

derStandard.at: Wie sinnvoll ist es, auch Hospizarbeit in dieses Modell einzubringen?

Dorner: Gegen eines möchte ich mich verwehren. Nämlich dass wir sagen: Die Studenten schicken wir jetzt ins Hospiz. Wir müssen hier auch Rücksicht nehmen auf alle jene Menschen, die schon im Hospiz arbeiten. Diese Arbeit ist eine sehr aufopferungsvolle und schwierige Tätigkeit, die schwierigste, die man überhaupt ausüben kann. Das kann man gar nicht hoch genug würdigen. (Anita Zielina/derStandard.at, 31.1.2007)