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Foto: REUTERS/Stringer
Wien - In Österreich sterben pro Jahr geschätzte 2.000 bis 3.000 Patienten an Arzneimittelnebenwirkungen. Doch laut Statistik jeweils um die 200 Drogentote - samt zufälliger Schwankungen - werden regelmäßig zu einem überproportional großen Problem erhoben. Vehement gegen eine Dämonisierung der Suchtgiftproblematik, für eine Drogenersatztherapie-Möglichkeit auch mit Heroin und für die Einrichtung von Konsumräumen sprachen sich österreichische Experten aus. Sie haben in zweiter Auflage das Fachbuch "Opiatabhängigkeit" herausgebracht.

Aktuelle Zahlen

Sabine Haas, federführende Autorin des jährlichen Drogenberichtes des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen (ÖBIG), führte bei der Präsentation des Bandes die aktuellen Zahlen an: "Die für Österreich letzte Schätzung kommt auf 30.000 Personen mit problematischem Drogenkonsum. Diese bezieht sich sehr oft aber nicht auf den reinen Konsum von Opiaten, sondern von mehreren Drogen." Die Polytoxikomanie mit Injektion von Opiaten, dazu noch beispielsweise Psychopharmaka und Alkohol sind eine jener Mischungen, die extrem gefährlich sind. Drogentote werden aber zumeist nur mit den Opiaten in Verbindung gebracht.

Kritik zu Verordnung

Am ersten März werden zwei bis zuletzt umstrittene Verordnungen des Gesundheitsministeriums zur Ausbildung von Ärzten für die Drogensubstitution und zur strikteren Regelung der Drogenersatzbehandlung in Kraft treten. Daran gibt es weiterhin Kritik. Alexander David (Drogenbeauftragter Wien), der eingestand, dass in der Vergangenheit durchaus ein Teil der Substitutionsmittel in den Schwarzmarkt gekommen sei: "Wir haben eines der liberalsten Systeme zur Substitutionsbehandlung gehabt. Wir haben es verloren." Für die Verordnungen habe es objektive Gründe gegeben, es seien aber auch politisch restriktivere Haltungen eingeflossen.

Substitution

David will jedenfalls für die Zukunft, dass Substitutionsmittel nicht nur zum oralen Gebrauch, also zum Schlucken, vorhanden sind: "Wir sollten durchaus überlegen, ob neben der oralen auch andere Substitutionsbehandlungen angeboten werden." Das ist das heiße Thema der Verschreibung von Heroin auf Substitutionsrezept. In der Schweiz und in anderen Staaten wurde es bereits für Abhängige erprobt, die ohne das Injizieren eines Opiats nicht auskamen.

Herointherapie

Der Grazer Pharmakologe Eckhard Beubler: "Die Heroin-Behandlung ist in den Studien immer die beste gewesen. (...) Einerseits geht die Welt in die modernen Wege, in die Herointherapie, auf der anderen Seite sind wir reaktionär. (...) Wahrscheinlich kann fast jeder Opiatabhängige mit Heroin behandelt werden. Aber wir sind ja 100 Jahre entfernt davon. In Österreich ist Heroin als Arzneimittel verboten. Es ist wie im Mittelalter."

Laut Beubler sollte man auch in der Substitutionstherapie endlich so weit kommen, Opiate nicht als vordergründig gefährlich einzustufen: "Opiatabhängigkeit ist eine Abhängigkeit, die wir mit dem selben Mittel behandeln können, aus dem sie entstanden ist. Einen Alkoholabhängigen würde man nicht mit Alkohol behandeln. (...) In Österreich sterben im Jahr geschätzte 2.000 bis 3.000 Menschen pro Jahr an Arzneimittelnebenwirkungen. Fünf bis sechs Personen sterben hingegen an der Substitutionstherapie. Es gibt auch hier Todesfälle in der Therapie. Das ist nicht anders als bei anderen Therapien."

Drogentherapie in Gefängnissen fehlt -->

Drogentherapie in Gefängnissen fehlt

In Österreich sind derzeit etwa ein Drittel der Opiatabhängigen in Substitutionstherapie. Das sind um die 8.000, davon 6.500 allein in Wien. Das ist in Europa ein relativ hoher Wert, doch es gibt laut dem Bremer Experten Heino Stöver durchaus auch Aufholbedarf. So bekommen 82 Prozent der spanischen Gefängnisinsassen mit Opiatabhängigkeit eine Drogenersatztherapie angeboten, in Österreich 33 Prozent, in Italien zwölf und beispielsweise in Polen nur 0,3 Prozent.

Stöver konzedierte allerdings: Trotz der bald in Österreich geltenden strikteren Regelungen seien diese wahrscheinlich noch weniger bürokratisch als in Deutschland.

Positiver Effekt bei Heroin

Eine Lanze für die Drogensubstitution auch mit Heroin brach schließlich Alfred Springer vom Ludwig Boltzmann Institut für Suchtforschung: "In den neunziger Jahren gab es Projekte zur heroingestützten Behandlung. Sie wurden in der Schweiz, den Niederlanden, Spanien und Deutschland durchgeführt. Alle diese Studien haben darauf hingewiesen, dass es (Heroin) bei dieser Klientel einen äußerst positiven Effekt hat. Wenn man jemandem das Substitutionsmittel gibt, das er will, hat man kein Problem damit, dass er es nicht nehmen will."

Konsumräume

Hans Haltmayer, ärztlicher Leiter des Ganslwirt in Wien, forderte neben speziellen Angeboten für Jugendliche und ältere Abhängige die Einrichtung von Konsumräumen: "Die haben wir noch immer nicht. Damit könnte man das einsame Sterben in der Wohnung zurückdrängen." Kritik äußert er weiterhin an den vor dem Inkrafttreten stehenden Verordnungen des Gesundheitsministeriums: "Ein Teil der Rahmenbedingungen (für die Substitutionstherapie, Anm.) ist, dass der Patient den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden muss. Die Patienten müssen, um in die Behandlung eintreten zu können, auf ein Grundrecht verzichten." Das sei laut zumindest einem Gutachten verfassungswidrig. (APA)