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Erstmals nach 34 Jahren sprach "Hanoi-Jane" Fonda wieder auf einer Anti-Kriegs-Demo.
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Unterstützt wurde sie dabei von Susan Sarandon.
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Jane Fonda, 1972 in Vietnam.
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Zehntausende Menschen protestierten am Wochenende in Washington gegen den Irakkrieg. Sie wollen besonders den Druck auf den Kongress erhöhen, sich für einen Rückzug aus dem Zweistromland einzusetzen.

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Cheryl Gaines feiert Premiere. Zum ersten Mal in ihrem Leben hält sie ein Spruchband in der Hand, noch nie zuvor war sie bei einer Demonstration. Am frühen Morgen ist sie in eine Boeing gestiegen, um von Florida nach Washington zu fliegen. Eingepackt in eine dicke Flauschjacke, steht sie nun vor dem kuppelgekrönten Kapitol, das blütenweiß in der Wintersonne leuchtet. Gaines spricht vor allem von einem: von der Angst um ihren Sohn.

Auf dem Stützpunkt Fort Bragg wartet ihr Jon darauf, in den Irak befohlen zu werden. Irgendwo nördlich von Bagdad soll seine Einheit landen, genau weiß sie das nicht. Jon redet nicht gern darüber, er redet mit seiner Mutter sowieso nicht gern über den Krieg. "Mein Sohn ist gerne Soldat, er mag es nicht, wenn ich Kritik übe", sagt Cheryl. "Nein, nein, er weiß nicht, dass ich hier bin", fügt sie hinzu, fast schuldbewusst, als habe man sie bei etwas ertappt, was sich nicht gehört. "Aber ich musste einfach kommen. Es funktioniert einfach nicht im Irak, es muss aufhören."

Viele Frauen

Es sind auffallend viele Frauen wie Cheryl Gaines, die vor der Bühne stehen, um den Rednern zuzuhören, dem schwarzen Bürgerrechtler Jesse Jackson, den Schauspielern Susan Sarandon, Tim Robbins und Jane Fonda. "Ich habe seit 34 Jahren nicht mehr auf einer Anti-Kriegs-Kundgebung gesprochen", ruft die Fonda. "Ich bin traurig, dass wir das immer noch tun müssen, aber wir haben unsere Lektion aus Vietnam nicht gelernt." Damals, vor 30 Jahren, hatten sie ihre konservativen Kritiker wegen ihres Engagements als "Hanoi-Jane" verunglimpft. Und schon damals hatte sie eine scharfe Auseinandersetzung mit einem Bush - der Vater des jetzigen Präsidenten war 1972 US-Botschafter bei der UNO.

Es ist kein Zufall, dass die Bühne auf dem Rasen vor dem Kapitol aufgebaut ist, dem Steinkoloss, in dem sich der Kongress für die ersten Kraftproben mit George W. Bush rüstet. Im November eroberten die Demokraten in beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit von den Republikanern - "und nun sollen sie das tun, wofür wir sie gewählt haben", verlangt Nate Ashe, ein junger Bauarbeiter aus North Carolina. "Sie sollen Bush gefälligst den Geldhahn für diesen Krieg zudrehen" (siehe Artikel unten).

Anders als Vietnam

Paul Capcara, ein Geschichtslehrer, hat eine Gruppe von Teenagern im Bus begleitet, elf Stunden sind sie von Vermont herunter in die Hauptstadt gefahren. "Gucken Sie mal, fast alles Mädchen", sagt Capcara und zeigt auf seinen Pulk. "Die Jungs hocken zu Hause. Es gibt keine Wehrpflicht mehr, da denken die Burschen, das geht sie direkt nichts an. Das ist anders als damals bei Vietnam."

Andrew Fesen, ein schwerer Mann Mitte fünfzig, hält sich ein wenig abseits vom Gedränge, wie ein Zuschauer auf einer Baseballtribüne. Personalchef ist er, kommt aus Lancaster im Bundesstaat Pennsylvania, einer konservativen Ecke. "Als Bush zum ersten Mal antrat, habe auch ich für ihn gestimmt, 2004 dann nicht mehr, aber im Grunde bin ich Republikaner."

Sturheit

Was Fesen ärgert, ist die Sturheit, mit der sein einstiger Favorit ignoriert, dass zwei Drittel der Amerikaner den Einsatz im Zweistromland nicht mehr billigen. "Der Mann macht das alles nur, weil er sich seinem Vater beweisen will", schimpft der Personalchef. An einem knorrigen Ast trägt er ein Poster, auf dem über zwei blonden Mädchenköpfen steht: "Zieht die Bush-Zwillinge ein!" Gemeint sind Jenna und Barbara, die Töchter des Präsidenten. Nur, trotz der plakatierten Wut will Fesen eines klarstellen: Gegen die Truppe im Irak habe er nichts, die mache nur ihren Job. "Ich unterstütze unsere Soldaten, unseren Oberbefehlshaber unterstütze ich nicht."

"Verdammter 13."

Cheryl Gaines hofft natürlich, dass alles gut geht für ihren Sohn, dass sie keine bösen Überraschungen erlebt wie am 13. August 2004. Da hatte Jon, der in der Ölstadt Kirkuk stationiert war, nur noch wenige Tage bis zur Heimreise. "Und an diesem verdammten 13. August erfuhr er, sorry, nichts mit Heimkehr, ihr bleibt noch ein paar Monate länger." Es wurde dann März 2005, ehe sie Jon wieder sah. Völlig verändert war er. Er fühlte sich wie nackt, ohne Gewehr durch die Straßen zu laufen, witterte hinter jeder Ecke Gefahr, war einfach nicht mehr der alte, unbekümmerte Jon. Im Irak musste er Leichen aufsammeln, unter ihnen grässlich zerfetzte Opfer von Bombenanschlägen.

"Höchste Zeit, dass unsere Boys gehen", sagt seine Mutter. "Es führt doch alles zu nichts." (Frank Herrmann aus Washington , DER STANDARD, Printausgabe 29.1.2007)