Plädoyer für Versachlichung der Uni-Diskussion: Rektor Wolfhard Wegscheider.

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Der Verein zur "Förderung der Akademikerkinder" greift für das Motto seines heutigen Sektempfangs in Wien tief in die ideologische Mottenkiste: "Pöbel raus aus den Universitäten - wir, die Elite dieses Landes, wollen unter uns bleiben und nicht länger mit unseren Steuergeldern Bildungsschmarotzer finanzieren." Der Zweck der karrierefördernden Lobbying-Veranstaltung: "Damit sollen die Forderungen nach höheren Studienbeiträgen und wirkungsvolleren Zugangsbeschränkungen unterstrichen werden." (Aus einer via APA verbreiteten OTS-Aussendung vom vergangenen Freitag.)

Es mag schon sein, dass sich viele Studierende angesichts des angebotenen Sozialdienstes zur Studiengebührenbefreiung aus Frust über nicht gehaltene Wahlversprechen in Zynismus flüchten. Die resignierend-sarkastische Haltung, die in aktuellen Protest-Parolen wie jener des obzitierten "Vereins" mitschwingt, zeigt jedoch, dass sich viele Universitätsangehörige - nicht nur Studierende - sowie ein Teil der interessierten Öffentlichkeit mit der geänderten Hochschullandschaft im 21. Jahrhundert nicht anfreunden können.

So trauern sie also einer vermeintlich idealen akademischen Welt nach - vor der Einführung der Autonomie, vor dem Beschluss der Studiengebühren und vor dem Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs, der dem jahrzehntelang propagierten "freien Hochschulzugang" in der Alpenrepublik den Garaus machte.

Früh gewarnt

Die Österreichische Rektorenkonferenz (ÖRK) darf für sich in Anspruch nehmen, dass sie schon frühzeitig vor den Folgewirkungen rund um die "besondere Universitätsreife" für ausländische Studienbewerber gewarnt hat - jene EU-gesetzwidrige Regelung, die 2005 zuerst die befristeten Beschränkungen für Studienanfänger in acht Studienfächern und 2006 die so genannte Quotenregelung für Studienwerber in Medizin zur Folge hatte. Mit demselben Nachdruck hat sich die ÖRK für eine langfristige Perspektive der Neugestaltung des Hochschulzugangs in Österreich ausgesprochen und im Herbst 2005 auch eine Steuerungsgruppe zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas eingesetzt. Die Ergebnisse der gesammelten Beiträge hochrangiger Expertinnen und Experten werden heute bei der Tagung "Hochschulzugang" der ÖRK diskutiert und sollen den politischen Entscheidungsträgern solide Perspektiven für zukünftige Lösungen anbieten.

Wohin weist nun der Kompass für die Reise in die bildungs- und universitätspolitische Zukunft? Für die Rektorenkonferenz stehen mehrere Zielvorstellungen außer Zweifel, von denen hier drei zentrale herausgegriffen werden sollen: Hochschulbildung dient nicht nur der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, sondern hat darüber hinaus per se eine gesellschaftliche und kulturelle Funktion. Zudem sollen künftig in Österreich mehr junge Menschen ein Studium erfolgreich abschließen. Soziale Diskriminierungen beim Zugang zu höherer Bildung sind zu vermeiden, weshalb das Bildungssystem insgesamt durchlässiger werden muss.

Mittlerweile hat sich auch bei vielen Befürwortern des "freien Hochschulzugangs" die Erkenntnis eingestellt, dass dieser nicht geeignet war, in den vergangenen Jahrzehnten soziale Chancengleichheit herzustellen, zumal sich der Anteil von Studierenden aus so genannten "bildungsfernen Schichten" kaum erhöht hat. Dabei erscheint bemerkenswert, dass in der öffentlichen Diskussion sowohl den Studiengebühren als auch den Aufnahmetests zentrale Bedeutung zukommt, überfüllte Hörsäle oder indiskutable Betreuungsrelationen aber nahezu vollständig ignoriert werden.

Der an der Grazer Uni lehrende Soziologe Christian Fleck hielt den Universitäten jüngst in einem an dieser Stelle veröffentlichten Kommentar ("Wem dient der freie Hochschulzugang?, 20. 1. 07) vor, diese "übernehmen keine Verantwortung für die ,Produkte', die sie herstellen", da der vermeintlich freie Hochschulzugang die gesamte Verantwortung für den Studienerfolg den Studentinnen und Studenten zuweise. Flecks Schlussfolgerung: "Will man das ändern, wird man um eine Studienplatzbewirtschaftung nicht herumkommen." - Angebotene Studienplätze müssen von der öffentlichen Hand ausfinanziert werden, lautet auch die dringende Forderung der Rektorenkonferenz an die neue Bundesregierung. Diese Verantwortung für eine ausreichende Zahl an Studienplätzen liegt aber zweifellos bei den politischen Entscheidungsträgern - sie wurde bisher nur gerne auf die Universitäten abgewälzt.

Experten am Wort

Die Rektorenkonferenz sieht es daher als ihre Aufgabe, der Öffentlichkeit klar zu machen, dass eine maximale Anzahl an Studienplätzen mit den zur Verfügung gestellten Mitteln zusammenhängt und daher von den Universitäten nicht allein festgelegt werden kann.

Aus all diesen Überlegungen heraus hat die ÖRK zehn Eckpunkte formuliert, die heute bei der Tagung "Hochschulzugang in Österreich" präsentiert werden sollen. Zu diesem Zweck wird auch eine 600 Seiten starke Schrift vorgestellt, in der namhafte Wissenschafter und Wissenschafterinnen das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Die Rektorenkonferenz sieht dieses Werk als Beitrag zur Versachlichung der Diskussion abseits von Polemiken und Schuldzuweisungen. - Warum ist eigentlich eine (Klassen-)Höchstzahl von 30 auf den Universitäten kein Thema öffentlicher Debatten? (DER STANDARD, Print, 29.01.2007)