Der Foto-Winkel von der Schmalseite macht Carne Cruda schlank: Der Teller war groß und länglich - und dennoch binnen Sekunden leer.
Osteria da Gemma
Via Marconi 6
Roddino
0039 0173 79 42 52
244 Euro für acht Personen

hb
Natürlich kann man der "Tavernetta" in Roddino nachtrauern. Als wir dort vor vier Jahren zum ersten Mal auf einen (vermeintlich) kleinen Mittagsimbiss einfielen, kamen wir aus dem Staunen nicht heraus. Essen oder Wein bestellt man nicht, Essen kommt, Hauswein auch. Und wieviel Essen. Und wie deftig, aber hinreißend. Und wie günstig. Unfassbar.

Die Cantina Communale gibt es noch immer für mittags Hungrige, ganz hinten in dem piemontesischen Nest eine Einfahrt hinunter, ein sehr schlichter Raum, hinten links die Durchreiche zur Küche, wo aber nicht mehr Gemma Boeri mit ein paar anderen Frauen ordentlich schafft.

Die hat inzwischen eine Straße weiter oben einen neuen Standort, den sie Osteria da Gemma nennt. Nix mehr mit abgewohntem Charme, nichts mehr mit Mittagsmahlzeit. Aber mit im Wesentlichen unveränderter Speisenfolge in - Frau Boeri sei Dank! - unveränderter Deftigkeit und Qualität. Und daher nun halt abends rappelvoll mit Piemontesen, die hier lautstark feiern und futtern. Und neben dem etwas sehr einfachen Dolcetto als Hauswein gibt es die eine oder andere Flasche als gleichwohl günstige, aber geschmackvollere Alternative.

Nichts für Vegetarier

Das Programm, offenkundig nichts für Vegetarier, und bis auf die Pasta ungefragt serviert auf großen, wirklich großen Platten, die, sollte etwas übrig bleiben, wie weiland in der "Tavernetta" einfach an den nächsten Tisch weitergereicht werden:

1. Salumi vom Brett. Gewaltige Stangen, zum Selberschneiden.

2. Carne Cruda, für Herrn Hilberg "das beste der Welt": ein Monte Rosa, gemeinhin ein markanter Gipfel im Alpenpanorama vom Piemont gesehen, hier aber aus rohem Fleisch. Oder, etwas präziser: geschabtes rohes Rindfleisch mit Olivenöl, abgeschmeckt nur mit Salz, Pfeffer und Zitrone.

Russischer Salat!

3. Insalata Russa. Willkommen in den Achtzigern, bei einem Haufen Mayonnaise mit Gemüse, Ei und mehr! Stets ein Streitfall, ob man den nicht besser zugunsten späterer Köstlichkeiten auslässt. Bringen aber die wenigsten zuwege.

4. Vitello tonnato. Schon wieder Fleischlappen, nur diesmal nicht roh. Und da das "La Gemma" einem robusten Kochstil verpflichtet ist, sind die Kalbsscheiben großzügig geschnitten und ist die Thunfisch-Sauce von brachialer Üppigkeit. Aber auch nahezu unwiderstehlich - auf dieser Platte bleibt nichts, was man dem Nachbartisch weiterreichen könnte.

5. Gleichermaßen mit Ragu diesmal die beiden Pasta-Varianten: Tagliatelle, hausgemacht, nach der Farbe zu schließen mit unglaublich vielen Eiern. Und Spinatravioli.

6. Geschmortes Wildschwein, sehr ok, aber kein Höhepunkt und ohnehin schon hart an der Sättigungsgrenze. Alternative: Hase, durchaus schmackhaft.

Schokohaube, Strudel, Schlag

7. Wer dachte, mehr geht nicht: Bonet, eine riesige Schokohaube im Ganzen zum Runterschneiden, das berüchtigte Blech mit der Gemma-Kombination aus Biskotten, Schlag und Ananasscheiben, und, diesmal neu, Strudel mit Rhabarber.

Wer nach solchen Essen keine Grappa braucht, um an Nachtruhe überhaupt zu denken, verdient meine unngeteilte Bewunderung. Die Rechnung indes braucht keinen Schnaps zur Verdauung: 244 Euro inklusive Wein für acht Personen.

Osteria da Gemma Via Marconi 6 Roddino 0039 0173 79 42 52 244 Euro für acht Personen