Letzter Halt vor dem Sackerl: Röstung und Kühlung haben die Bohnen bereits hinter sich, jetzt geht es auf die Verpackungsstraße und dann ins Kaffeehaus.

Foto: STANDARD/Heribert Corn
Ein Lokalaugenschein bei der Rösterei Naber in Wien-Floridsdorf.

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Wien - Immer dem Zischen nach. Wer in Strebersdorf aus der S-Bahn steigt, bemerkt sofort den weißen Rauch, den der silberne Schornstein jede Viertelstunde in die Luft bläst. Der Geruch, der dann die Flachbauten des Industriegebiets durchzieht, erinnert entfernt an Kaffee - das sollte er auch, denn der Schornstein gehört zur Rösterei Naber.

Der kleine Verkaufsraum am Eingang ähnelt mit seinem Holztresen und den Regalen voller Kaffeesackerln dem alten Delikatessengeschäft, das Firmengründer Georg Naber vor 99 Jahren in der Laudongasse im 8. Bezirk eröffnete. Dort wurde bis zum Umzug nach Floridsdorf in den Siebzigern auch Kaffee geröstet.

Im Lager hinter dem Geschäft riecht es nicht nach Kaffee, sondern nach Pappe - hier liegen die Kartons für den Versand. Eine Tür weiter stößt man auf grobe Jutesäcke, die sich weit über Kopfhöhe stapeln. "Peru" steht auf den Schildern vor den Stapeln, "Brasilien" oder "Guatemala".

Vor dem Duft kommt die Röstung

Naber verarbeitet nur die edleren "Arabica"-Sorten, die die Kaffeebörsen in New York und Hamburg zurzeit um 1,25 US-Dollar das Pfund handeln. Supermärkte bieten meist "Robusta"-Kaffee an, dessen Kurs bei etwa 80 Cent liegt.

In jeden Sack passen 60 bis 90 Kilo Grünkaffee. So heißen die grünlich-grauen Bohnen vor der Röstung. An den Börsen hat sich der 60-Kilo-Sack als Maßeinheit durchgesetzt. Fast 1,7 Millionen davon importierte Österreich 2005, acht Kilo Kaffee verbraucht jeder Österreicher jährlich, das sind gut drei Tassen am Tag.

Weder den Säcken noch den Fässern mit der weltweit teuersten Marke "Jamaica Blue Mountain" entströmt ein Kaffeearoma. Vor dem Duft kommt die Röstung. Für eine Charge schüttet der Lagerist 90 Kilo Grünkaffee aus verschiedenen Säcken in eine Luke am Fußboden - ungefähr so, wie man Kohlekeller befüllt.

Die Bohnen wandern per Luftdruck durch ein Rohr in den Mischtrichter, der aussieht wie ein übergroßer Sonnenschirmhalter. Bei Naber mischen sie den Kaffee vor der Röstung, je nach gewünschtem Geschmack. Andere machen es umgekehrt - es gibt unzählige Röstphilosphien.

Der Weg der Bohnen führt immer durch Rohre: Vom Mischtrichter geht es in die 200 Grad heiße Rösttrommel, dann in die Kühlsilos und schließlich ins Kaffeesackerl. In der Rösttrommel werden die Bohnen eine Viertelstunde lang regelrecht gegrillt. Dabei erhalten sie ihre typisch dunkelbraune Farbe, geben Wasser ab und schwellen auf doppelte Größe an. "In der Großindustrie", erklärt Firmenrepräsentant Alexander Hamersky, "laufen die Bohnen über Laufbänder und sind in zwei Minuten fertig." Wie er diese Methode findet, sagt Hamersky nicht, aber das spöttische Lächeln ist Antwort genug.

Rund um die Uhr

Momentan röstet Naber auch für die Konkurrenz: Weil bei Julius Meinl kürzlich die Rösterei abbrannte, schicken die Ottakringer ihre Mischungen zu Naber. Vor Feiertagen läuft die Rösterei rund um die Uhr. Noch kann das Werk all die Bohnen bewältigen. "Es geht sich gerade noch aus", sagt Juniorchef Ernst Naber. Er ist die vierte Generation des Unternehmens, und er denkt vorsichtig über einen Ausbau des Werkes nach.

400 Tonnen Röstkaffee verschickt Naber im Jahr, den Löwenanteil an Kaffeehäusern in Wien und ganz Österreich. Kundschaft wartet auch in Tschechien oder Ungarn. Und zuletzt lieferte Naber bis nach China, wo ein Österreicher eine Kaffeehauskette aufzieht. Wer Naber-Kaffee ausschenkt, erhält auch das passende Geschirr: Häferl mit dem Firmenlogo, einem Turbanträger im Schneidersitz.

16 bis 18 Euro je Kilo

Aus der Rösttrommel wandern die Bohnen ins Kühlsilo und können 24 Stunden ihr Aroma entwickeln. Nur zwei Prozent der Bohnen kommen in die Kaffeemühle, der Rest bleibt ungemahlen. Was danach in den 250-Gramm-Packungen landet, heißt "Luxus", "Exquisit" oder "Kaisermelange" und kostet zwischen 16 und 18 Euro pro Kilo - ein Preis, der am Billa-Regal zum Aufstand führen würde.

Und endlich, endlich riecht es nach Kaffee. (Daniel Kastner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.1.2007)