Heinz-Christian Strache muss sich derzeit an vieles aus seiner Jugend erinnern, was er nicht mehr genau weiß – oder wissen will.

Foto: Corn
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache versucht zu erklären, warum er zwischen seinem 18. und 21. Lebensjahr Kontakte zur extremen rechten Szene hatte, welche Rolle die Familie seiner damaligen Freundin, Gudrun Burger, spielte – und warum er sich seiner Meinung nach von all dem heute nicht noch einmal zu distanzieren braucht. Das Gespräch führte Barbara Tóth.

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STANDARD: Herr Parteiobmann, warum haben Sie sich noch nicht klar von den Fotos distanziert, die Sie mit Kameraden im Tarnanzug bei Schieß-Spielen im Wald zeigen?

Strache: Ich habe das immer gemacht.

STANDARD: Sie haben sie als Jugenddummheiten abgetan. Das ist eine autobiografische Relativierung, aber keine wirkliche Distanzierung.

Strache: Wer hat schon keine Jugendtorheiten erlebt? Das Entscheidende ist: Ich habe immer, dokumentierbar seit meinem 21. Lebensjahr, eine ganz klare Abgrenzung zum Nationalsozialismus gelebt. Jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der gezielte Massenmord in den Konzentrationslagern genauso wie die Vertreibungen – und meine Familie wurde als sudetendeutsche Familie vertrieben – ist aufs Schärfste zu verurteilen. Jedes Opfer verdient unseren Respekt und Würde. Und ich bekräftige das gerne noch einmal.

STANDARD: Warum sagen Sie nicht: Ich war damals verwirrt, es tut mir leid, ich würde es heute nicht mehr tun?

Strache: Natürlich würde ich gewisse Entwicklungsphasen zwischen 18 und 21 lieber nicht gemacht haben. Aber es hat mir vielleicht auch geholfen, weil ich danach wusste, was ich nicht will. STANDARD: Inwiefern?

Strache: Ich war damals 18 Jahre jung und habe meine Jugendliebe Gudrun Burger kennen gelernt, deren Vater Norbert ...

STANDARD: ... der Gründer der Nationaldemokratischen Partei war, die im gleichen Jahr, 1988, wegen NS-Wiederbetätigung verboten wurde.

Strache: In dieser Phase hatte ich ein familiäres Verhältnis zu ihm, habe ihn auch als Mensch kennen gelernt – und natürlich auch sein Umfeld. Ich war auf Zeltlagern, bei Sonnwendfeiern, bei Veranstaltungen. Ich konnte heranreifen und in Folge, mit 21 ...

STANDARD: ... als Sie FPÖ-Bezirksrat in Wien wurden ...

Strache: ... wusste ich, wo ich hingehöre und wo nicht.

STANDARD: Wie wird der Anti-Nationalsozialist Strache dann erklären, dass von ihm vielleicht Bilder mit Hitlergruß auftauchen, die Sie ja nach wie vor nicht ausschließen?

Strache: Ich habe den Hitler mit Sicherheit nicht gegrüßt.

STANDARD: Dafür sind Sie auch zu jung.

Strache: Aber Faktum ist auch, dass man keine b’soffene G’schicht vom Bruchteil einer Sekunde ausschließen kann. Dass Rede- und Szenenzusammenschnitte existieren, die man in viele Richtungen interpretieren kann, aus einer Bewegungssituation heraus bis hin zu Fotomontagen – auch das halte ich für möglich.

STANDARD: Das klingt ganz so, als rechnen Sie damit.

Strache: Nein. Ich kann mich mit reinem Gewissen nicht an so eine Situation erinnern. Aber ich bin auch keiner, der, bloß weil er sich nicht erinnern kann, dann als Lügner bezeichnet werden will.

STANDARD: Sie sagen, Sie können sich nicht erinnern. Haben Sie es nicht eher verdrängt?

Strache: Verdrängt nicht, weil ich bin ein leidenschaftlicher Demokrat. Ich sehe mich als Österreich-Patriot mit nationalen Wurzeln und deutschem Kulturbewusstsein. Ich bin das, das ist mein Leben und deshalb haben diese Diffamierungen für mich auch keine Wertigkeit.

STANDARD: Auf den Fotos sieht man Andreas Thierry, der heute im rechtsextremen Umfeld agiert. Haben Sie Kontakt?

Strache: Damals war ein jeder unbescholten. Ein paar Personen habe ich überhaupt nicht mehr gesehen, zu ein paar hatte ich bis zum Alter von etwa 21 Kontakt. Dann nicht mehr.

STANDARD: Ihre Mutter war Alleinerzieherin, Ihr Vater hat die Familie früh verlassen, Sie wuchsen im Internat auf. Suchten Sie Halt in autoritären Strukturen?

Strache: Ich habe sicherlich nicht die normale Familiensituation erlebt. Meine Mutter war durch den Krieg Vollwaise geworden und hatte es auch immer selbst sehr schwierig. Es gab niemanden, der für mich da sein konnte. Mir hat die Situation im Internat nicht behagt, ich war eher der Rebell. Zur Mittelschulverbindung Vandalia ...

STANDARD: ... Motto „Deutsch, einig, treu und ohne Scheu“...

Strache: ... kam ich während meiner Zahntechnikerlehre, als ich Doktor Herbert Güntner kennen lernte. Mir hat das sehr gut gefallen: die studentischen Traditionen, die Vereinsstruktur, die Vorträge, die Möglichkeit, sich zu bilden.

STANDARD: Doktor Güntner ist Mitglied der schlagenden Grenzlandmannschaft Cimbria, in der laut DÖW auch Personen aus dem Umfeld des VAPO-Gründers Gottfried Küssels aktiv waren.

Strache: Das ist nicht richtig. Die Cimbria hat nichts in dieser Richtung zu tun. Standard: Sie sind Küssel ohnehin im Hause Burger mehrmals begegnet. Wie oft?

Strache: Wenn ich versuche, dass wissentlich aufzuarbeiten, sind die Treffen mit dieser Person auf jeden Fall an einer Hand abzuzählen. In Folge, ab meinem 21. Lebensjahr, war ich auf Distanz.

STANDARD: Wohl weil Sie draufgekommen sind, dass Ihnen Rechtsaußen-Kontakte bei Ihrer beginnenden politischen Karriere schaden könnten?

Strache: Nein, sondern weil ich für mich gewusst habe, dass die FPÖ genau das ist, wo ich mich zu Hause fühle.

STANDARD: War die Familie Burger die Familie, die Sie nie hatten?

Strache: Es war ein schönes familiäres Umfeld, ja. Er hatte fünf Töchter – und da hat man gesehen, dass er zu Hause gar nicht so viel zu melden hatte.

STANDARD: Hat Ihr damaliger Schwiegervater in spe nicht versucht, Sie für seinen Weg zu begeistern? Das wollen Schwiegerväter doch oft.

Strache: Ich habe mit ihm auch lange Diskussionen und Auseinandersetzungen geführt – und ja, er hat damals nicht verstanden, warum ich mich in Richtung FPÖ begonnen habe zu engagieren.

STANDARD: Warum nicht?

Strache: Weil er andere Überzeugungen hatte.

STANDARD: Uns Sie waren damals auch bei einem Vortrag des Holocaust-Leugners David Irving.

Strache: Ja, und ich empfinde dabei auch nichts Entsetzliches und Schlimmes. Zuhören ist ja nicht gleich zustimmen.

STANDARD: Sie gehen nach wie vor auf Sonnwendfeiern, wo zum Beispiel auch Herr Küssel auftaucht. Geben Sie ihm da eigentlich die Hand?

Strache: Ich weiß nicht, ob ich ihn erkennen würde. Ich glaube nicht. Aber ich bin ein Mensch, der so erzogen wurde, dass er prinzipiell jedem die Hand gibt. Aber daraus etwas Ideologisches abzuleiten, ist unsinnig.

STANDARD: Können Sie ausschließen, dass es gemeinsame Fotos von Ihnen gibt?

Strache: Nein. Das kann sicher auch Ex-ÖVP-Staatssekretär Alfred Finz nicht ausschließen. Küssel war JVP-Mitglied.

STANDARD: Und Sie werden beim Totengedenken am 8. Mai auch wieder dabei sein.

Strache: Ich habe kein Problem damit. Gerade hier finden ganz gemeine politische Punzierungen statt. Der 8. Mai gedenkt aller Opfer – ohne Ausnahme.

STANDARD: Der Satz „Ich distanziere mich von diesen Fotos“ kommt Ihnen also nicht über die Lippen?

Strache: Ich verstehe, wenn sie Befremden auslösen – das wollte ich nicht. Wäre ich heute 18, würde ich eine offizielle Paintball-Spielstätte aufsuchen.

STANDARD: Aber es geht ja weniger ums Spiel als ums ideologische Unterfutter.

Strache: Noch einmal: Das war in erster Linie Lagerfeuerromantik, und ja, auch Alkohol – aber es hatte, wie es unterstellt wurde, keinen ideologischen Hintergrund gehabt. (DER STANDARD, Printausgabe 27./28.1.2007)