Gerhard Mangott: "Verhandlungen mit dem Iran sind unabdingbar."

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Mit heiligem Zorn stürzt sich Bernd Marin ("Die Pseudo-Debatte") in die Debatte über die Schrecknisse eines nuklearen Iran; dabei ist doch bekannt, dass der Zorn der Erkenntnis zumeist im Wege steht; vor allem dann, wenn dieser sich aus jenem entlädt, der in sicherheitspolitischen Debatten bislang unbekannt war. Sich dem Dialog zu verweigern, macht zwar nicht taub, aber dumm – denn dann bleibt der Denker Gefangener seiner Vorurteile, vielleicht auch seiner moralischen Gewissheiten, ohne zumindest zu erahnen, wie jene denken, die wir zurecht als bedrohlich, fanatisiert und gewaltbereit begreifen müssen.

Die nuklearen Begehrlichkeiten des Iran sind zwar nicht bewiesen, dennoch lassen die Anzeichen der Täuschung und des Verbergens Misstrauen und Vorsicht aufkommen. Kaum noch lässt sich leugnen, dass das islamische Regime zumindest die nukleare Option anstrebt – um damit aber noch immer der massiven nuklearen Bewaffnung seiner Nachbarn Indien, Pakistan und Israel nachzuhinken.

Auch ist zu erahnen, dass eine nukleare Bewaffnung Irans, die nukleare Option für Saudi-Arabien, Ägypten, Syrien und der Türkei zwingend macht. Ganz sicher auch ist im demokratisch regierten Israel der Einsatz nuklearer Macht nur das letzte Mittel zur Verteidigung. Dasselbe kann vom Regime in Iran leider nicht angenommen werden.

Dennoch ist es für die sozialwissenschaftliche Debatte unerlässlich, die Denkstrukturen, Motive und Absichten derer zu erfahren, deren Gegnerschaft man fürchtet. Ziel ist nicht, sich diesen anzudienen, zu verharmlosen oder gar – wie Marin schändlich unterstellt – zu kollaborieren. Aber die Erforschung von Motivlagen und Perzeptionen zählt zu den grundlegenden Bausteinen sicherheitspolitischer Analyse. Wer sich dieser Mühen der Erkenntnis entzieht, fällt der Leichtigkeit des ideologischen Urteils und der verzerrten Deutung zum Opfer. Natürlich ist nicht zu bestreiten, dass Ahmadi-Neschad totalitären Wahnideen anhängt und vermutlich davon auch überzeugt ist. Es ist aber unrichtig zu leugnen, dass ihm mit Rafsandjani, Chamenei und Larijani an-dere Machtzentren entgegenstehen und ihn einhegen.

Viele Möglichkeiten

Die nukleare Bewaffnung Irans gilt es dennoch, wenn möglich, zu verhindern – das Risiko nuklearer Rüstungs_eskalation kann zu groß werden, der Aufbau der strategischen Kultur der wechselseitigen Abschreckung ist keineswegs zwingend erreichbar, somit nukleare Erstschläge nicht undenkbar. Dazu gilt es, viele denkbare Möglichkeiten einzusetzen: harte, aber auch intelligente Sanktionen, die das nukleare Entwicklungsprogramm erschweren und verlangsamen können, ohne aber damit zwingend die aufgewühlte Bevölkerungsmehrheit im Taumel nationaler Geschlossenheitsbezeugungen hinter dem fanatisierten Gewaltrhetoriker zu sammeln.

Verhandlungen sind aber ebenso unabdingbar, und es wäre wohl besser, diese ohne Vorbedingungen zu beginnen. Wer in Unterredungen den anderen zu Zugeständnissen bewegen will, darf von ihm nicht vorher verlangen, sein Gesicht zu verlieren. Militärische Luftschläge aber, die Marin anmahnt, sind das geistige Spielzeug derer, die in der Flamme des Krieges das beste Instrument zur Lösung nahöstlicher Verstrickungen sehen; wer darin verbrennen wird, ist zwischen Basra, Falluja und Bagdad jeden Tag neu zu sehen. Bernd Marin sollte sich in jene Studien vertiefen, in denen die Untauglichkeit militärischer Präzisionsschläge nachgewiesen, die unermessliche Eskalation einer Bodeninvasion durchleuchtet wird.

Wenn die Alternative die militärische Verwüstung des Iran ist, ohne auch dessen nukleares Wissen zu vernichten; wenn die militärische Verheerung den Weg zur iranischen Atombombe nur länger, aber nicht unbegehbar machte, sollte besser darüber nachgedacht werden, ob die iranische nukleare Bewaffnung akzeptiert und in einem regionalen Sicherheitssystem ausbalanciert werden kann.

Nach der Gewalt zu rufen, um Bedrohungen zu beseitigen, ist gerade dann eigenartig, wenn man diese durch Marins Gesprächs- und Verhandlungsverweigerung gar nicht richtig versteht. Der Zorn darf nicht blind machen – auch wenn er angeblich heilig ist. (DER STANDARD, Print, 25.1.2007)