Meisterliches Puppenspiel: "Beethoven in Camera" von und mit Roman Paska

Foto: Schauspielhaus
Wien - Nur wenigen Alchimisten, aber jedenfalls dem New Yorker Puppenkünstler Roman Paska, gelingt es, eine Menschenansammlung im Grenzland zwischen Lebendigem und Leblosem festzuhalten. Der Reflex, sich lieber für eine der beiden Seiten zu entscheiden, wird bei der Uraufführung von Beethoven in Camera, einem Auftragswerk für das Schauspielhaus Wien, außer Kraft gesetzt.

Dort hatte Paska schon 2005 mit Dead Puppet Talk bewiesen, dass seine Puppen vehement nach Eigenleben verlangen und die Stücke schon deshalb zu einem anspruchsvollen Arbeitsfeld für Zuschauerpsychen werden.

Aktuell gibt sich die Bühne dafür charmant wie ein Altwarenladen: Auf fünf Stellagen wartet eine Objektsammlung aus dem morbideren Teil des Surrealismus auf einen Vorbeikömmling, der mit ihnen sein Leben teilen möchte. Wenn Paska als Zeremonienmeister vor dieses Sammelsurium tritt, muss er zunächst die eigene Situationsbeschreibung verlesen, bevor das Saallicht gedimmt wird, die Handpuppen zum Leben erwachen und der Kampf um die Kontrolle zwischen Mensch und Ding beginnen kann.

Pop-Allüren

Unter Beihilfe der "puppet minders" (Uta Gebert und Gabriel Hermand-Priquet) entwickelt Paska rund um fünf Figuren eine Handlung, deren Konzept im "Heiligenstädter Testament", dem nicht abgeschickten Abschiedsbrief des gerade taub werdenden Ludwig van Beethoven (1802), verankert ist.

Die düstere Geschichte die Paska daraus entspinnt, mit Aspekten aus Jeanne d'Arcs Persönlichkeitsprofil und aktuelleren Versatzstücken aus dem manischen Allürenrepertoire von Popstars vermischt, könnte Psychoanalytikern gefallen: Puppen mit instabilen Persönlichkeiten, die sich auf unheimliche Weise gleichen, sich ineinander verstricken, aber doch nie zusammenfinden können.

Weitaus bestechender als die dabei zerplatzenden bleischweren Bedeutungsblasen ist aber die Puppenführung durch die drei Schauspieler. Bis zu fünf Hände sind damit beschäftigt, die Bewegungswünsche einer Puppe zu erfüllen. - Die dabei freigesetzten Regungen erzeugen also in ihrer Präzision den Eindruck, die etwa einen halben Meter großen Figuren könnten sich jederzeit von ihrer Umklammerung befreien.

Und diese Rebellion der Puppen gegenüber ihrer eigenen Wirklichkeit macht Paskas Theater tatsächlich zu einem einzigartigen Erlebnis. (Georg Petermichl, DER STANDARD Printausgabe, 22.01.2007)