"Leistung impliziert Wettbewerb", sagt Lopatka, der speziell der maroden Leichtathletik helfen will.

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Standard: Ist es quasi Voraussetzung, dass man Marathon läuft, wenn man Sportstaats-sekretär werden will?

Lopatka: Es ist keine Voraussetzung, aber auch kein Schaden, wenn man in einer Sportart aktiv ist, wo man mit hunderten, tausenden Sportlern zu tun hat wie bei Volksläufen. Voraussetzung ist, dass man für den Sport etwas durchsetzen will - wobei man Partner braucht: ob das die Bildungs- oder die Gesundheitsministerin, der Minister für Landesverteidigung, der für Inneres oder der Sozialminister ist, wenn ich an Projekte im Seniorenbereich denke oder die Außenministerin. So gesehen passt es hundertprozentig, dass das Sportstaatssekretariat beim Bundeskanzler angesiedelt ist.

Standard: Andererseits hat es der Sport wieder nicht geschafft, den Rang eines Ministeriums zu erlangen wie etwa Kunst und Kultur.

Lopatka: Das hätte der Sport auch schaffen können, eingegliedert zu werden in ein Ministerium, das zu siebzig, achtzig Prozent andere Agenden hat. Ich war seinerzeit mit Unterrichtsminister Fred Sinowatz als Schüler 1976 in Innsbruck. Und erst dort hab ich entdeckt, dass er auch für Sport zuständig war. Der war für mich Unterrichtsminister und sonst nichts. Es ist sinnvoller für den Sport, dass sich einer voll auf diese Aufgabe konzentrieren kann, als dass ein Minister das quasi im Zehnkampf mitmacht.

Standard: Haben Sie sich um den Job beworben? Wie überraschend kam die Bestellung?

Lopatka: Meine Kinder haben gesagt, Papa, jetzt ist dein Hobby dein Beruf geworden. Ich war immer sportinteressiert, daheim in Hartberg geh ich zu Volley- und Fußballspielen, manchmal zum Eishockey. Meine zwei älteren Söhne sind aktive Leichtathleten auf der Mittelstrecke. Ich war in allen Bundesländern bei Volksläufen am Start. Bevor ich Generalsekretär wurde, war ich im Landtag als Sportsprecher einer, der sich zum Sport zu Wort gemeldet hat. So gesehen war ich nicht überrascht. Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel, mit dem ich auch schon laufend unterwegs war, wusste von meinem Sportinteresse.

Standard: Man steht in der Öffentlichkeit, überreicht Pokale. Die EURO 2008, eine tolle Bühne. Ein dankbarer Job?

Lopatka: Pokale überreichen ja: beim Welschlauf in Wies oder beim Beachvolleyball-Schülerturnier in Hartberg, weil das eine Auszeichnung für junge Sportler ist. Und im Wissen, dass das Foto dann in der Schülerzeitung vorkommt und nicht das billige Abstaubertor eines Politikers ist.

Standard: Und den Nachtslalom in Schladming übernimmt man dann halt auch.

Lopatka: Ja. Weil ich beim 24-Stunden-Lauf in Wörschach mit dem Bürgermeister von Schladming, Jürgen Winter, in der Staffel unterwegs war. Der hat mich zum Nachtslalom eingeladen. Aber meine Hauptaufgabe sehe ich woanders. Die ist bei den zehntausenden Ehrenamtlichen, bei denen viele junge Leute mit großem Animo dabei sind. Mein Fokus liegt auf dem Breitensport, und da ist mir der Schulsport besonders wichtig. Wir müssen nachdenken, dass möglichst viele junge Leute in Bewegung kommen.

Standard: Doch gerade bei der Anzahl der Turnstunden, die verringert wurde, hatte Ihr Vorgänger Karl Schweitzer keinen Auftrag gegen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer.

Lopatka: Da möchte ich die Ministerkollegin Schmied bitten, möglichst bald Zeit zu haben, damit ich ihr die nötigen Argumente liefere und sie als Verbündete gewinne. Momentan wird sie vielleicht noch andere Sorgen haben. Aber bald sollte der schulische Sport ein ganz wichtiger Punkt bei der Arbeitsgruppe im Bildungsministerium sein.

Standard: Ist der Sport in Österreich nicht zu sehr auf Skifahren und Fußball konzentriert, während andere Sportarten zu verschwinden drohen?

Lopatka: Insgesamt funktioniert der Wintersport, mit Ausnahmen wie Eisschnelllauf, hervorragend. Im Sommer sehe ich großen Aufholbedarf, insbesondere im breiten Bereich der Leichtathletik. Es sollte möglich sein, Vorbilder zu schaffen. Als Thomas Muster Erfolg hatte, ging ein richtiger Ruck durch die Steiermark. Es gibt kein Dorf mehr ohne Tennisplatz. Aber in der Leichtathletik haben wir gar niemanden in Medaillennähe. Mit Sportunion-Generalsekretär Fritz Smoly, meinem Büroleiter, signalisiere ich, es geht mir um professionelle Sportpolitik. Ich hab mit BSO-Präsident Franz Löschnak und allen Landessportreferenten bereits Kontakt aufgenommen.

Standard: In Ihrer Funktion als Generalsekretär galten Sie als angriffslustiger Politiker. Müssen Sie Ihren Stil jetzt ändern?

Lopatka: Sport und Politik liegen eng beisammen und sind sehr vergleichbar. Dem SK Sturm zum Beispiel war zu Erfolgszeiten das Stadion zu klein - jetzt hat man die Leute schon einzeln begrüßen können. Wenn der Erfolg da ist, ist alles super und bestens. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, und Leistung impliziert Wettbewerb. Und so gesehen brauche ich gar nichts ändern an meiner Einstellung, meinem Stil. Dazu kommt, ich bin kein Sprinter. Aber ich habe einen langen Atem, und das wird in der Sportpolitik kein Nachteil sein.

Standard: Wie steht der Sport in Österreich da? Was hat Schweitzer vorangebracht?

Lopatka: Positiv sehe ich "Fit für Österreich" und dass er mit Sektionschef Robert Pelousek auch versucht hat, ein Bewusstsein für den Wirtschaftsfaktor Sport zu schaffen. Der Wert des Sports war ja mit zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts immer viel zu niedrig angesetzt. Es sind jedoch mindestens sieben Prozent. Sport hat enorme Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation, da kann ich gegenüber der Arbeiterkammer oder der Wirtschaftskammer argumentieren, damit sie sich noch stärker engagieren. Aber ich will auch neue Schwerpunkte setzen. Sport kann eine großartige Rolle spielen im Integrationsbereich, im Umgang mit anderen Kulturen, mit Fremden. Das Jahr 2008 ist in der EU das Jahr des interkulturellen Dialogs, und da haben wir die EM, das trifft sich wunderbar.

Standard: Sie glauben, Sport kann die Welt verbessern?

Lopatka: Sport ist wie das Menschsein. Es hängt immer davon ab, was man daraus macht. Die Verantwortlichen müssen beispielsweise dagegen vorgehen, wenn Patriotismus in Nationalismus oder gar Rassismus umschlägt. Aber gesunder Patriotismus, zu seinem Nationalteam zu stehen, sich mit zu freuen nach dem Motto: Wir haben gewonnen, das finde ich schwer okay. Mir ist lieber, Kinder und Jugendliche sehen Sportsendungen als unsinnige Soap-Operas.

Standard: Wenn Sie jetzt hören oder lesen, David Beckham verdient eine Million Dollar die Woche, was empfinden Sie da?

Lopatka: Dass das weder mit seiner Leistung noch mit dem Risiko, das ein Spitzensportler zwangsläufig hat, zu rechtfertigen ist. Das Einzige, was das Ganze erträglich macht, ist, dass der Markt das zahlt und dass keine öffentlichen Mittel dabei sind. Furchtbar wird's, wenn die öffentliche Hand glaubt, da mittun zu müssen.

Standard: Da wären wir aber bei Sturm Graz. Würde Politik nicht eingreifen, hätte der Klub wohl schon zugesperrt.

Lopatka: Was Eingriffe der öffentlichen Hand betrifft, bin ich hier sehr restriktiv. Ich nehme die Autonomie ernst. Und die Autonomie kann auch zu Konkursen führen. Die Politik sollte sehr zurückhaltend sein, mit Subventionen in einen Markt einzugreifen. Für mich als Sturm-Fan wäre es eine Katastrophe, sollte Sturm es nicht schaffen. Aber als Politiker muss ich sagen, es kann nicht Aufgabe der Politik sein, Profiklubs zu retten.

Standard: Ihr Vorgänger hat nach Team-Pleiten getönt, die Fußballer sollten in Jugendherbergen schlafen etc. Ist von Ihnen Ähnliches zu erwarten?

Lopatka: Viele Österreicher meinen, Sie wären der bessere Nationalteamtrainer. Als einer von wenigen weiß ich, ich wäre es ganz sicher nicht. Und von mir werden Sie da nie einen Zuruf hören. Politik hat Verantwortung, zum Beispiel im Dopingbereich. Da darf die Politik nicht sagen, das ist Aufgabe der Verbände. Da muss sie darauf drängen, dass die Verbände die Vorgaben erfüllen. Aber wie sich der Sport organisiert, wie ein Verband arbeitet, das liegt völlig in der Autonomie der Verbände.

Standard: Wo und wie sehen Sie Österreichs Fußballteam bei der Heim-EM 2008?

Lopatka: Ich hoffe schon, dass das Team eine Welle der Begeisterung auslöst, dass wir wieder einmal dorthin kommen, wo wir 1978 waren. Es ist Aufgabe der Politik, alles zu tun, so ein einmaliges Fenster, das sich da öffnet, möglichst gut zu nützen. Es ist Aufgabe von allen, die es gut mit dem Sport meinen, hier ihren Beitrag zu leisten. Ebenso hoffe ich, dass Salzburg, wenn im Juli die Winterspiele 2014 vergeben werden, den Zuschlag erhält. Olympia in der Stadt von Mozart, das wäre herrlich. (Das Gespräch führten Christian Hackl und Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 20.21.01.2006)