Junge Amerikaner bekennen sich auf YouTube zu ihrem Atheismus. Sie tun dies mit der Formel "I deny the Holy Spirit." Folgt man Markus 3:29, ist dies die einzige Sünde, die vor Gott keine Vergebung findet. Als Anreiz dient die Kampagne "The Blasphemy Challenge". Deren Initiatoren stellen die Chance auf eine Gratis-DVD in Aussicht und wollen eine öffentliche Diskussion über Religion anregen.

Screenshot: Renée Cuhaj
Drei Sekunden. Mehr Zeit braucht es nicht, um seiner Seele einen Platz in der Hölle zu reservieren. So lange dauert es, jene folgenschweren Worte auszusprechen, die im christlichen Glauben eine bis ans Ende aller Zeiten nicht wiedergutzumachende Sünde darstellen: "Ich leugne die Existenz des Heiligen Geistes." Denn bei Markus 3:29 steht geschrieben: "Alle Vergehen und Lästerungen werden den Menschen vergeben werden, so viel sie auch lästern mögen; wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften."

Den jungen US-Amerikaner, auf dessen T-Shirt die provokante Aufschrift "Fuck Jesus" prangt, kratzt diese Konsequenz wenig. Im Gegenteil: Er hat es darauf angelegt. Sein Name ist Christopher Love. Er erzählt: "Mein Großvater ist Baptistenpriester, mein Vater, meine Mutter, alle Personen, mit denen ich zu tun habe, sind gläubige Christen." Selbst im christlichen Glauben erzogen, habe er sich jedoch vor circa sechs Jahren "von der Religion befreit", wie er es ausdrückt - und hat es bisher nicht bereut. Seine 43-Sekunden-Video-Botschaft - zu sehen auf der Internet-Videoplattform YouTube - endet damit, dass er Gott, Jesus und schließlich den Heiligen Geist leugnet.

"I deny the Holy Spirit." Das ist die Kernaussage von rund 800 Videoclips - vornehmlich amerikanischer Provenienz -, die auf YouTube zu finden sind. Zurückzuführen ist der explosionsartige Anstieg der sich offiziell vom christlichen Glauben Abkehrenden (und bereits Abgekehrten), die dies mittels Videodatei dokumentieren, auf eine Initiative namens "The Blasphemy Challenge", eine Kampagne, die von Regisseur Brian Flemming und Brian Sapient, Mitbegründer der Atheisten-Website RationalResponders.com, 2006 ins Leben gerufen wurde. Die Herausforderung: Leugne den Heiligen Geist, im Sinne von Markus 3:29, und du hast die Chance, eine von 1001 Gratis-DVDs der antireligiösen Dokumentation von Flemming "The God who wasn't there" zu gewinnen.

Seele gegen Film? Das wäre wohl eine verkürzte Sicht der Dinge. Die Intention des Projekts ist, wie Flemming und Sapient erläutern, Atheisten Mut zu machen, zu ihrer Überzeugung zu stehen und diese öffentlich zu machen. Die Betonung liegt auf öffentlich: Denn um sich von jeglicher Religion loszusagen, braucht es keine Formel oder gar einen Videoclip von schlechter Qualität. Das kann man auch zu Hause im stillen Kämmerchen erledigen. Viele der Teilnehmer waren auch schon vor der "Challenge" Atheisten.

Dennoch scheint das "Outing" via Videoclip für manche regelrecht ein Befreiungsschlag zu sein. Es gibt offensichtlich ein Bedürfnis, darüber zu reden. So schildert ein junger Mormone: "Ich konnte es mir nicht aussuchen. Ich wurde so erzogen. Mir wurde gesagt, das Mormonentum sei die einzig wahre Religion auf der ganzen Welt."

Er blickt in die Webcam und teilt dem Zuseher seine Erkenntnis mit: "Aber heute weiß ich, dass alle Religionen der Welt nur einen Zweck haben: Menschen zu kontrollieren." Vielen der großteils - aber nicht ausschließlich - jugendlichen Gesichter ist die Erleichterung anzusehen. Sie sind froh, sich endlich öffentlich zu ihrem Nichtglauben bekennen zu können. Craig Gillette etwa, der am Ende seines "Abschwörungs-Beitrags" zweimal ausruft: "Free at last!"

Skeptische Kommentare ließen nicht lange auf sich warten: Wieso etwas negieren, woran man ohnedies nicht glaubt? Mit solchen philosophischen Problemen hält man sich aber nicht auf. Es zählt das Ventil. Und Brian Flemming ergänzt: "Wir wollen eine tiefergehende öffentliche Diskussion über Religion anregen." Dies könnte allerdings schwierig werden in einem Land, das sich selbst als christliche Nation sieht, in der die christliche Rechte ein massiver Machtfaktor ist, in dem George W. Bush den Krieg gegen den Terrorismus und den Irak zu einem "Kreuzzug" hochstilisieren konnte. (Markus Böhm/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21. 1. 2007)