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Blick in die Vergangenheit: Karl-Heinz Grasser und Alfred Finz im "Blauen Salon" des Finanzministeriums. Das ehemalige Winterpalais des Prinzen Eugen in der Wiener Himmelpfortgasse ist jetzt der Arbeitsplatz von Wilhelm Molterer und Christoph Matznetter.

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Christine Diethör, Innenraumexpertin

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In der ersten Welt, in der wir leben, sucht man seine Kleidung im Regelfall selbstständig aus. Für das Bild, das ein Mensch seiner Umwelt von sich liefert, ist er also größtenteils selbst verantwortlich. Nicht anders verhält es sich mit der dritten Haut, der Wohnumgebung. Je nach Geschmack, Persönlichkeit und Portemonnaie gestaltet man im Alleingang – oder lässt die Einrichtung, ja ganze Räume von Fachleuten entwerfen.

Es heißt: "Kleider machen Leute." Wie man sich kleidet, so wird man wahrgenommen. Und es heißt noch mehr: Wie man sich kleidet, so fühlt man sich. Wie mit der Kleidung verhält es sich auch mit der Architektur, dem räumlichen Umfeld des Menschen.

Die meiste wache Zeit unseres Lebens verbringen wir nicht in der Wohnung, sondern am Arbeitsplatz. Auf Politiker und Politikerinnen trifft dies angeblich in besonderem Maße zu. Schenkt man ihnen Glauben, sind sie Tag und Nacht um das Wohl der Republik bemüht. Bei diversen Fernsehsendungen fällt auf, dass der Großteil unserer Volksvertreter in verstaubten Amtsräumen und Prunkbauten aus längst vergangenen Tagen der Monarchie arbeitet. Abgesehen von den herrschaftlichen Dimensionen dieser Räume strotzen sie geradezu vor barockem Dekor – meist in Rot, Weiß, Gold. In solche Räume geht man nicht hinein, nein, man wird vorgelassen.

Architektur als die dritte Haut: Wie wirken diese Räume auf ihre Nutzer und Nutzerinnen? Beeinflussen sie nicht auch Haltung und Denkweise der Menschen, die sich viele Stunden darin aufhalten? Eine Hypothese: Könnte es nicht sein, dass die Herren und Damen, die tagtäglich gezwungen sind, auf roten Teppichen mit weiß-goldenen Möbeln, Kristalllustern und Wandtäfelungen zu residieren, ein klein wenig von monarchischen und feudalistischen Tendenzen angewandelt werden?

Betrachtet man die jüngsten politischen Ereignisse, könnte einen diese Theorie durchaus nachdenklich stimmen. Bei so manchem Funktionär genügt offensichtlich schon die Aussicht darauf, künftig in einem feudalen Arbeitszimmer zu sitzen – und schon kann er sich nicht mehr daran erinnern, wer ihn mit seiner Stimme dorthin gebracht hat und aufgrund welcher Versprechungen er überhaupt gewählt wurde. Ja, die angestaubten Räume der Republik machen vergesslich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.1.2007)