Wien – Drei US-Soldaten erklimmen die letzten Meter zum Gipfel des Berges Suribachi, dem höchsten Punkt der japanischen Insel Iwo Jima. Dort angekommen, hissen sie die Fahne auf einem mitgebrachten Mast – doch plötzlich blenden sie die zahlreichen Scheinwerfer eines Sportstadions. Die Plätze sind mit tausenden begeisterten Patrioten gefüllt, die die Helden mit Applaus und Jubelchören empfangen. Der Berg ist ein Nachbau, aber die Soldaten sind dieselben, die vor Kurzem noch in einer der grausamsten Pazifikschlachten des Zweiten Weltkriegs gekämpft haben.
Es ist die erste Szene in Clint Eastwoods Kriegsfilm "Flags of Our Fathers", in der man jenen Moment zu sehen bekommt, der in den USA zu einem so berühmten wie überfrachteten Bild des Krieges werden sollte. Nicht der authentische Augenblick, sondern seine Repräsentation, zurück an der Heimatfront. Aber selbst die Fotografie, auf der sechs Soldaten die Fahne aufstellen, war eine Inszenierung, nachdem die erste gehisste Flagge in die Privatsammlung eines Armeeangehörigen einging. Gibt es ein adäquates Bild des Krieges? Für welche Zwecke wird es beansprucht – und wie verhält sich sein vermeintlicher Wahrheitsgehalt zu jenen Personen, die darauf zu sehen sind? Solcherart sind die Fragen, die Eastwood in seinem von William Broyes jr. und Paul Haggis ("L.A. Crash") geschriebenem Film stellt. Ein – zumal im Mainstream von Hollywood – sehr ungewöhnlicher Ansatz, weil er die Darstellbarkeit und den Heroismus, den dieses Genre so bereitwillig bedient, ganz offen hinterfragt.
Nun ist man von Eastwood gewöhnt, dass er die Mytheme, die Hollywood in seiner Geschichte herausbildete, mit dem ihm eigenen Klassizismus nochmals anders zueinander in Beziehung setzt. Die Filme seines Spätwerks, angefangen von der Westernrevision "Unforgiven" über die Ausweitung des Thrillers zur Tragödie in "Mystic River" bis zum düsteren Boxerdrama "Million Dollar Baby", werden auf ihre Weise alle im gebrochenen Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft wirksam. Der Krieg als Ausnahmezustand, in dem der Staat dem Menschen das Äußerste abverlangt, spitzt dieses Drama nochmals zu.
Zahlreiche Echos
Eine Rückschau ist in "Flags of Our Fathers" schon erzählerisch vorgegeben. Der Film basiert auf dem Bestseller von James Bradley, dem Sohn von John, einem der Flaggenhisser – seine Recherche über den Vater ist die quasidokumentarisch inszenierte Rahmenhandlung, um die Eastwood das eigentliche Geschehen anordnet. Das Trauma des Krieges, die Instrumentalisierung des Soldaten für Propagandazwecke, die Erfahrung der Schlacht – diese drei Ebenen verknüpft der Film in einer komplizierten Rückblendenstruktur. Er verhandelt und rechtfertigt keine kriegerische Handlung, sondern reflektiert die nachhaltigen Erschütterungen, die sie bewirkt.
Allan Dwans "Sands of Iwo Jima" aus dem Jahr 1949 war der erste große Hollywoodfilm über jene Schlacht im Pazifikkrieg – ein mit großem Aufwand produziertes Epos, in dem John Wayne als harter, aber herzensguter Sergeant kurz vor dem Hissen der Flagge den Heldentod starb. Bei Eastwood gibt es keine Helden, sondern nur Soldaten und eine Schlacht. In digital ausgebleichten Farben wird die Landung auf der Vulkaninsel mit demselben naturalistischen Überschwang inszeniert wie in Steven Spielbergs (der hier nun als Produzent fungierte) "Saving Private Ryan". Zuerst herrscht Stille. Dann schießt der Feind fast unsichtbar aus seinen Stellungen heraus. Wer stirbt und wer überlebt, darüber entscheidet hier keine Strategie, sondern viel eher der Zufall.
Weil Eastwood die Schlacht fragmentiert – er kommt in traumatischen Flashbacks der Überlebenden öfters darauf zurück –, hat sie eher Demonstrationscharakter als einen dramatischen Aufbau. Wichtiger ist ihm, sie an der Erfahrung zu messen, welche die drei Überlebenden als gefeierte Helden – und Opfer medialer wie staatlicher Interessen – machen werden. Als Frontpage-Prominenz sind sie nämlich die geeigneten Kandidaten für eine Werbetour, die die leeren Kriegskassen wieder auffüllen soll.
Der eitle Rene Gagnon (Jesse Bradford), der sich über die Kampagne seine Zukunft zu sichern glaubt, der zurückhaltendere John Bradley (Ryan Philippe) und Ira Hayes (Adam Beach), ein Native American, werden von einer Charity-Gala zur nächsten gereicht, um als Helden eines Krieges zu posieren, den sie kaum verarbeitet haben, und für eine Aktion, in der sie nur "Darsteller" waren.
Celebrity-Kultur
Vor allem Hayes, der seine Ausbeutung als männliches Pin-up mit zunehmendem Alkoholkonsum zu kompensieren versucht, rückt dabei in den Mittelpunkt einer Erzählung über die Gnadenlosigkeit einer Celebrity-Kultur – und ihrer wachsenden politischen Bedeutung. Das Bild der Flaggenhissung wird zu ihrem Emblem: Bei einem Dinner wird ihnen das Monument als Eis samt Erdbeersauce gereicht. Nur einer der drei Soldaten, nämlich Bradley, fand in ein normales Leben zurück.
Es ist Teil von Eastwoods Konservatismus, die Integrität des Einzelnen vor dem Zugriff der Öffentlichkeit in Schutz zu nehmen – und damit auch die Werte des letzten "good war", den die USA ausgefochten haben. Sein Humanismus widersetzt sich jeder Instrumentalisierung durch eine Ideologie. Darin liegt vielleicht das tatsächlich Neue dieses Kriegsfilms, der vom plakativen Unsinn von "Pearl Harbor" genauso weit entfernt ist wie von Spielbergs Messianismus.