"Caboche" von Patricia Urquiola für Foscarini

Foto: Hersteller

"No fruit bling bling" von Dark

Foto: Hersteller

"Lolita" von Ron Arad

Hersteller
Sie blitzen und funkeln, als ob es den Minimalismus nie gegeben hätte. Kronleuchter sind wieder in - sie leuchten in Privathäusern, exklusiven Boutiquen und Salons von Luxuskreuzern, in First-Class-Hotels und Nachtclubs von London bis Schanghai. Mit majestätischen Lustern zelebrieren Gestalter und Leuchtenhersteller derzeit ungeniert die Sehnsucht nach Opulenz, nach Üppigkeit und Prunk. Es schmückt, was früher in venezianischen Dogenpalästen und französischen Schlössern glitzerte, heute auch zeitgenössische Architektur.

Kronleuchter haben noch im 21. Jahrhundert etwas Brillantes. Und sie geben durch den Rückbezug auf Tradition ein Sicherheitsversprechen. "In unserer polarisierten, brüchigen Gesellschaft orientiert man sich gern an Zeiten, die als sicher gelten", verweist der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann auf das Bürgertum des 19. Jahrhunderts. Statussymbole seien wieder gefragt: "Mit dem Prestigeobjekt Leuchter signalisiert man, dass man zu den Gewinnern des Strukturwandels gehört." Für einen Luster kann man schnell einmal mehrere hunderttausend Euro hinblättern. Will man seinen Erfolg heute nach oben, buchstäblich an die Decke hängen, hat man eine breite Auswahl - von antiken Leuchtern bis zu Hightech-Lustern.

Who's who der Designwelt

Auf alte Werte besinnen sich beispielsweise die alteingesessenen Glasmanufakturen Italiens wie Barovier & Toso, die prächtige Luster aus mundgeblasenem Murano-Glas fertigen.

Der Hype um die glamourösen Leuchter wird von Swarovski seit Jahren tatkräftig angefacht: Das Kristallimperium lädt regelmäßig Designer ein, zeitgenössische Interpretationen des traditionellen Kronleuchters zu entwerfen. Die Liste ist lang und liest sich wie ein Who's who der Designwelt. Unter anderen haben Tom Dixon, Karim Rashid und Hussein Chalayan Kristallkunstwerke geschaffen.

Auf die Magie des Kristalls setzt auch Anthony Duffeleer mit dem Leuchter "No-Fruit Bling Bling" für Dark. Das Leuchtobjekt besteht aus 960 funkelnden Swarovski-Steinen und bringt 420 Kilogramm auf die Waage. Und Zaha Hadid entwarf für das Designkollektiv Established & Sons den Leuchter "Swarm": 16.000 schwarzglänzende Kristalle wurden darin dank Animationssoftware und extensiver Handarbeit zu einer funkelnden organischen Form verarbeitet. Der aufwändige Leuchter ist in limitierter Auflage erhältlich. Trotz der stolzen Summe von 120.000 britischen Pfund sind einige der acht Exemplare bereits verkauft - wohin, erfährt man leider nicht. Nicht alle, scheint es, wollen ihre Statussymbole begehrlichen Blicken preisgeben.

Die Brücke in die Moderne bauen auch andere Designer: Isabel Hamm fertigt ihre Kronleuchter aus Industrieglas, die sie nach Kundenwunsch formt. Die fragilen Kreationen der Kölner Keramikerin erleuchten mittlerweile Modeboutiquen, Banken und Privathäuser zwischen Wiesbaden und Madrid. Einmal hängt Isabel Hamm Glasstäbe so in einem Edelstahlzylinder auf, dass ein glitzernder Kristallblumenstrauß entsteht, einmal lässt sie bambusförmige Glasröhren aus einem an der Decke befestigten Leuchtkasten hängen. Das jüngste Projekt entstand für ein Vorarlberger Privathaus: Ein Leuchter aus mehr als hundert sandgestrahlten Glaszapfen lässt an das Schloss der Schneekönigin denken. "Ein Luster ist immer auch ein Statement", sagt Isabel Hamm.

Leuchtende Gänsefedern

Ein solches geben auch Leuchter ab, die die Dekadenz auf die Spitze treiben. Die Berliner Architektin Heike Buchfelder reiht für ihre Leuchte "Pluma Cubic Kugel K1" zarte Gänsefedern zu einer flauschigen Kugel aneinander - "das Gegenteil vom Gänserupfen", nennt sie die aufwändige Steckarbeit. Rund 1600 Federn und damit fast zwei Kilo des eigentlich federleichten Rohmaterials verarbeitet Buchfelder für ein einziges Exemplar. Ihre betörenden Objekte wirken vor allem in modernen Räumen, die kühler Minimalismus bestimmt. Den Widerspruch der Stile inszeniert auch Tobias Wong: Der kanadische Shootingstar überzieht in seiner Arbeit "Chandelier" klassische Kristallkronleuchter mit weißem Gummi. Solcherart maskiert, verschwindet ihr brillanter Glanz - ein hintergründiges Versteckspiel. Das 4900 US-Dollar teure Kunststück ist, wen wundert's, nicht im Leuchtengeschäft, sondern in Designgalerien erhältlich.

Inzwischen ist der Kronleuchter auch im digitalen Zeitalter angekommen: Ron Arad entwarf für Swarovskis Crystal-Place-Projekt einen spiralförmigen Leuchter, der ganz im Zeichen der Interaktivität steht. Das Hightech-Objekt "Lolita" besteht aus 2100 Kristallen, 1050 weißen LEDs und 31 Prozessoren. Es empfängt und zeigt per SMS gesendete Textnachrichten - schöne neue Glitzerwelt. (Andrea Eschbach/Der Standard/Rondo/19/01/2007)