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Alfred Gusenbauer am Abend seines mittlerweile „amputierten Wahlerfolgs“: Ein ewiger Neinsager als Elefant im Porzellanladen der symbolischen Politik?

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Einer, der immer nur ablehnt, findet keine Worte für das, was er will - wenn er's braucht. Das ist die Saat der negativen Worte: Sie geht nicht auf. Gebraucht hätte Gusenbauer bei den Regierungsverhandlungen klare Aussagen zu dem, was die Partei, er selber und seine Wähler wollten. Gewiss nicht wollten die Wähler die magere Ausbeute sozialdemokratischer Positionen im tatsächlichen 167-seitigen Regierungspapier. Gewiss wollten die Wähler auch nicht, dass die Programmpunkte Studiengebühr und Eurofighter so sang- und klanglos untergingen. Und noch weniger wollten die Wähler, dass ihre Stimmen so wirkungslos verpufften, als wäre sie dem BZÖ für die ÖVP gewidmet gewesen.

Ich habe an dieser Stelle schon einmal - zu Beginn der Gusenbauer-Ära - über die negativen Sprach- und Denkreflexe des SP-Vorsitzenden und das daraus resultierende Unvermögen zu konstruktiven oder gar visionären Vorschlägen und Ideen geschrieben. Und ich gebe zu, es hat sich einiges gebessert - der anfangs beratungsresistente Alfred Gusenbauer dürfte durch massives und konstantes Coaching seines Umfeldes ein wenig von seinen negativen Positionen abgerückt sein. "Startklar" und andere aktivierende Worte schienen als Hoffnungsschimmer einer neuen Tatkraft am Sprachhorizont aufzuleuchten. Gusenbauer erklärte des Öfteren, wofür (!) er zu kämpfen gedächte und nicht wogegen. Doch leider zu früh gemutmaßt. Was in einem tief verankert ist, bleibt hinter allen so genannten Consultingtools als permanente Schwäche vorhanden.

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Gusenbauer - vor Überraschung über den Wahlsieg aus allen Wolken der falschen Versprechungen gefallener Chefverhandler seiner Partei - war wieder in der Realität angekommen, in der er hätte sagen müssen, was er nun in der Praxis umgesetzt wissen wollte. Dazu war der auf "Nein" und "Nicht" programmierte Kommunikator nicht in der Lage. Einer, der immer nur Nein sagt, weiß genau, was er nicht will. Einer, der immer nur Nein sagt, weiß allerdings nicht, was er will!

Was Gusenbauer nicht wollte, war, nicht Kanzler zu werden. Was Gusenbauer nicht wollte, waren Neuwahlen. Was Gusenbauer nicht wollte, war eine Minderheitsregierung mit den Grünen. Was Gusenbauer nicht wollte, war, wegen läppischer Studiengebühren oder eines Eurofighterversprechens über die Chance zu stolpern, Kanzler zu werden. Was Gusenbauer wollte? Wir fragen uns verdattert: Ja, was wollte er denn? Was wollte er für die Republik? Was wollte er für die Sozialdemokraten? Was wollte er in der Regierung bewirken? Wo wollte er die neue Macht investieren? Seine Wähler haben ein legitimes Recht, quasi als Aufsichtsrat dieser Republik über seine Managementfähigkeiten zu befinden. Zu fragen: "Was wirst du uns geben von dem, was du in deinem Businessplan für den Fall des Wahlerfolges versprochen hast?"

Ich kann mir nur vorstellen, dass vielleicht ein höheres, von mir nicht nachvollziehbares Wissen dazu geführt hat, dass Gusenbauer auf alle Schlüsselministerien dieses Landes verzichtet hat.

Seltsames Kalkül

Finanzministerium? Überflüssig. Finanzpolitik wird eh in Brüssel gemacht. Innenministerium? Ist auch egal, wer was über wen und von allen weiß. Der gläserne Bürger ist heute ja schon für jeden mittelmäßigen Marketingmenschen Realität. Außenministerium? Völlig überflüssig. Das ist tatsächlich bereits eine europäische Angelegenheit, in der so kleine Staaten wie Österreich in der Welt kaum eine Stimme haben. Also könnte es Kalkül gewesen sein, das Sozial- und das Verteidigungsministerium - Letzteres hinterlistigerweise sogar mit einem Zivildiener - zu besetzen. "Es interessiert uns eh nicht das, was wir nicht beeinflussen können." So möglicherweise der Gedankengang Gusenbauers.

Verheerend ist für unsere Gesellschaft diese grundsätzlich Denkweise, mit der sich ein (in wirklich wichtigen Anliegen) planloser, Nein sagender (und damit nichtssagender) Wendehalsakrobat an die Spitze bringen kann: mit Ablehnung und mit der Strategie, den Erfolg jemandes anderen zu verhindern. Wer aber glaubt, den verhinderten Erfolg eines Gegners schon als eigenen Erfolg verbuchen zu können, irrt. Wer nicht mit einem in den Schoß gefallenen Erfolg umgehen kann, der verliert ihn zwangsläufig wieder. Schüssel hat Gas gegeben, während Gusenbauer auf der Bremse stehend hoffte, wenigstens "den Kanzler" retten zu können. Den hat er nun und hat dabei den Erfolg verspielt.

Mit Neinsagen ist halt kein Staat zu machen. Da braucht es schon ein paar positive Worte und daraus resultierende tatkräftige Handlungen. Oder einen Koalitionspartner, der all das hat, was es zum Regieren braucht. - Man wird die Entwicklung bis zur nächsten Wahl abzuwarten haben. Wenn auch die Vergesslichkeit der Wähler groß ist, der Phantomschmerz des amputierten Wahlsiegs wird bleiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.1.2007)