Die Wissenschafterin Silvia Miksch arbeitet an der Donau-Uni Krems am Knowledge- Management im Gesundheitsbereich.

Fotos: Standard/Donau-Uni

Informationstechnologie im Medizinbereich muss keine unübersichtlichen Datenberge hervorbringen. An der Donau-Universität Krems arbeitet man an visuellen Analysemethoden, die auch Vorhersagen auf den Therapieverlauf und die Erfolgsaussichten zulassen sollen.


"Informatiker haben nützliche Werkzeuge, die Mediziner bei ihren komplexen Problemen unterstützen können", freut sich Silvia Miksch über den unmittelbaren Nutzen ihres Fachgebiets. Die Professorin am neuen Department für Information und Knowledge Engineering (ike) der Donau-Universität Krems, setzt gerade im Gesundheitswesen auf Visual Analytics: Speziell entwickelte Computerwerkzeuge können komplexe Sachverhalte übersichtlich darstellen, Zusammenhänge aufzeigen und so die handelnden Personen "bei der Gewinnung neuer Erkenntnisse unterstützen", wie Miksch sagt. Die moderne Medizin erhebt riesige Datenmengen: Blutwerte, Temperatur und Puls gehören in jede (zunehmend elektronische) Krankenakte ebenso wie zusätzlich Befunde, Bilder und viele andere Informationen.

Die Parameter sind nicht nur zahlreich, sondern auch zeitabhängig. Die Verfassung der Patienten – ausgedrückt in Messreihen und Momentaufnahmen – verändert sich im Therapieverlauf. Im Krankenhausalltag muss sich das medizinische Fachpersonal noch oft mit Zahlenkolonnen, Formeln und unübersichtlichen Diagrammen herumschlagen und dennoch daraus die beste Vorgangsweise ableiten.

"Bei Visual Analytics geht es nicht um schöne Bilder", betont Silvia Miksch, obwohl das Projekt Gravi eigentlich hübsch anzusehen ist. Nicht Ästhetik und Präsentation stehen im Vordergrund, sondern Nutzen und Erkenntnisgewinn. Farben und Formen helfen hier vor allem den Überblick zu behalten. Bei der Entwicklung dieser Software arbeitete sie, um die Visualisierung zeitbezogener Daten zu ermöglichen, mit Therapeuten am AKH zusammen, die sich um magersüchtige Mädchen kümmern. Um den Behandlungserfolg besser abschätzen zu können, wurden anonymisierte Datensätze aus Fragebögen zum Wohlbefinden der essgestörten Patientinnen über den Zeitraum von einem Jahr eingespeist. Der unterschiedlich starke Zusammenhang einer großen Zahl von Parametern – und das, was dieser für den Therapieerfolg bedeutet – ließ sich mit einer Visualisierung, die sich verändernde Einstellungen jeder Patientin mit jedem einzelnen Parameter verknüpft, einfacher analysieren.

Im Zentrum der computergestützten Anwendungen stehen für Silvia Miksch stets die Benutzer mit ihren Bedürfnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen. Die Softwarespezialistin weiß, dass gegen entsprechende Zeitersparnis, gerne ein neues Tool erlernt wird, "einen entsprechend spielerischen Zugang vorausgesetzt". Die langjährige Beschäftigung mit Artificial Intelligence hat sie in folgender realistischer Rollenverteilung bestärkt: Ein Computer kann die Entscheidungsfindung mit Prozessen, die er zuverlässig beherrscht – etwa durchsuchen, rechnen und vergleichen – unterstützen. Diagnose, Interpretation und andere kognitive Leistungen bleiben den medizinischen Fachleuten überlassen.

Die Berufung an die Donau-Universität Krems Anfang 2006 reizte die Informatikerin wegen "des großen Gestaltungsspielraums und der Möglichkeit, Brücken zu bereits bestehenden Schwerpunkten in IT und Medizin zu bauen". Davor arbeitete die 42-Jährige lang am Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme (Isis) der TU Wien und war als Wissenschafterin auch an der Stanford University tätig. Das erste Jahr hat Silvia Miksch genutzt, "um das wissenschaftliche Fundament am Standort Krems zu intensivieren". Morgen wird das Department schließlich offiziell eröffnet.

Demnächst wird ein dreijähriges Forschungsprojekt namens DisCo (Visual DIScovery and COmmunication of complex time patterns in non regularly gathered multigranular and multivariate data) gestartet. Partner im Projekt, das im Rahmen der Programmlinie "FIT-IT Visual Computing" des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) gefördert wird, sind das Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement im Haus und die Firma Ximes GmbH. Mit Show und Glitzereffekten hat auch dieses Projekt nichts zu tun: "Disco" bedeutet auf Lateinisch "ich lerne". Apropos Lernen und Lehre: Bis Herbst 2007 will Silvia Miksch mit ihrem Team auch eine Fachvertiefung für den Lehrgang "IT im Gesundheitswesen" entwickeln. (Astrid Kuffner/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 17.1. 2007)