Nicht wenig spricht dafür, dass mit Dani Levys Mein Führer eine Periode in der deutschen Nachkriegsgeschichte zu Ende geht, die 1973 mit der Publikation von Joachim C. Fests Hitler-Biografie begann und 1977 mit dem dazugehörigen Film Hitler - Eine Karriere das erste "Fest-Jahr" (Dietrich Kuhlbrodt) hatte. Das Buch, das ein Bestseller wurde, und der aus Propagandamaterial montierte Film standen ja auch im Zeichen der "Erzählbarkeit" des Nationalsozialismus, während in den 60er-Jahren der Akzent vor allem auf der Analyse der Strukturen der historischen Schuld gelegen hatte.
Die anspruchsvolle, akademisch abgesicherte Interpretation der Nazijahre ließ unberücksichtigt, dass Hitler und seine Helfer ein Nachleben hatten, für das die Historiker keine Kategorien anboten: Die Nazis führten ein geisterhaftes Dasein in der Aura des absoluten Bösen. Darauf reagierten Untergrundfilmemacher wie Schlingensief, indem sie Hitler in den Trash zogen. Davon profitierte aber eben auch ein Erfolg wie Der Untergang noch, indem er um Hitler die massenmedial verstärkte Aura noch einmal mit allen filmischen Mitteln beschwor.
Hier setzt Dani Levy mit Mein Führer an. Der Untergang ist als solcher nicht wiederholbar, als Satire aber lässt er sich vielleicht sogar noch überbieten. Diese Logik spricht deutlich aus einem Film, der von sich im Untertitel behauptet, "die wirklich wahrste Wahrheit" über Hitler zu erzählen.
"Der Jud' tut gut"
Das geht so weit, dass der Führer einen außergewöhnlichen Satz sagt: "Der Jud' tut gut." Warum tut der Jude dem Führer gut? Weil er im Dezember 1944 nicht mehr führen mag, sondern sich in die prächtigen Räume der Reichskanzlei einschließt. Und weil er keine Reden mehr halten will, sondern nur noch vor sich hinmurmeln. Aus all diesen Gründen haben die Männer um Hitler, allen voran Joseph Goebbels, dem Führer einen Coach besorgt, den jüdischen Schauspieler Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe), zuletzt wohnhaft im KZ Sachsenhausen. Grünbaum soll den Führer wieder zum (fanatischen) Sprechen bringen, aber er macht das auf eine so psychoanalytische Weise, dass Hitler sich hoffnungslos in seine Kindheitsmuster zu verstricken beginnt.
Das Dritte Reich endet bei Dani Levy nicht mit Schrecken, es endet als Farce, mit einem leeren Machtzentrum, in dem die Funktionäre bis zuletzt den Betrieb aufrechtzuerhalten versuchen.
Mein Führer mit dem Entertainer Helge Schneider in der Hauptrolle ist eine Komödie mutmaßlich aus dem Geist von Chaplin (Der große Diktator) und Lubitsch (Sein oder Nichtsein) - die Nazis werden der Lächerlichkeit preisgegeben, indem sie nicht an ihrer Politik, sondern an ihrem Auftreten gemessen werden. Der Führer ist ein Zwangsneurotiker mit kleinem Schwanz - so ähnlich wird er tendenziell auch bei den Biographen Joachim Fest und Ian Kershaw dargestellt, aber in den dicken Büchern sieht man keinen Schäferhund, der von hinten auf Hitler steigt, und auch keine Eva Braun, die ergebenst die Beine breit macht.
Dies sieht man nur bei Dani Levy, womit der Charakter der "wirklich wahrsten Wahrheit über Adolf Hitler" in etwa angedeutet ist. Der Untertitel verrät natürlich auch ein Bewusstsein dafür, dass diese Komödie etwas spät kommt - und ein latentes schlechtes Gewissen darüber, dass sich das Kino den letzten Jahren noch einmal gründlich über die Sache hergemacht und dabei durchaus den Eindruck erzeugt hat, dass Hitler & Co das Prunkstück im Nationalimaginären (und auf dem Weltmarkt der Bilder) sind.
Täuschungsmanöver
Dani Levy hat zuletzt mit Alles auf Zucker die DDR zu einem Paradies für jüdische Schwerenöter umgedeutet, und schon dort ein totalitäres System auf die leichte Schulter genommen. Leichter noch geht das mit den Nazis. Helge Schneiders Hitler steht ganz allein im Mittelpunkt eines Interessensgestrüpps, das Goebbels (Sylvester Groth) auf den Begriff der "inszenierten Realität" bringt - der Nationalsozialismus wird in dieser komischen Deutung zu einem großen Täuschungsmanöver, das in Mein Führer entlarvt wird.
Was bei Chaplin und Lubitsch der Entzauberung einer realen, zeitgenössischen, propagandistisch aufgeblähten Figur diente, könnte bei Levy der Entzauberung einer zum Fetisch gewordenen historischen Dämonenfigur dienen. Unschwer ist in dieser Komödie stattdessen ein Muster der Wunscherfüllung zu erkennen, das auf Geschichtsvermeidung zielt.