Aus dem Handbuch für Gruppendynamik in komplex strukturierten Organisationen: Wenn ein Präsident eines Kaninchenzüchtervereines in einer Sitzung etwas durchsetzen will, was mindestens die Hälfte der anwesenden Mitglieder nicht will, dann siegt meistens der Präsident - wenn er genügend Autorität hat. Wenn aber der Präsident nicht mehr so viel Autorität hat, dann genügt es, wenn eine Person von Gewicht, die noch dazu nicht selbst Präsident werden will, aufsteht und Widerspruch signalisiert; dann kippt das Ganze blitzartig gegen den Präsidenten. Die reale Mehrheit wird sichtbar. Genau das ist in der Nacht vom 8. Jänner in der ÖVP passiert. Schüssel wollte Grasser als Vizekanzler und möglichen künftigen Kanzler durchdrücken. Mindestens die Hälfte der versammelten Granden beutelte es bei dem Gedanken an dieses Glitzer-Implantat. Es musste aber erst Andreas Khol, der nichts zu verlieren hat, den Widerstand einläuten. Dann war die Sache gegen Grasser und Schüssel gelaufen. Wenn Khol nun von diversen Adoranten Grassers als dessen Killer gebrandmarkt wird, blendet das die Wahrheit aus: Die ÖVP wollte Grasser mehrheitlich nicht. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2007)