Elke Brauweiler: "Twist à Saint Tropez" (Königskinder Schallplatten 2006)

Coverfoto: Königskinder Schallplatten
Wer erinnert sich noch an die "Pop-Karriere" der Prinzessin Stéphanie von Monaco? 1986 hauchte sie sich durch das Disco-Stück "Irresistible", stimmgewaltig wie ein punktierter Fahrradschlauch. Ein Tiefpunkt der 80er! Elke Brauweiler kennt aber keinerlei Berührungsängste, wenn sie in den Fossillagerstätten des Franko-Pop wühlt und sich endlich ihren langgehegten Wunsch erfüllt, ein Album nur in französischer Sprache zu veröffentlichen; die Frankophilie der Paula-Sängerin war ja schon bisher kaum zu überhören. Verwunderlich ist höchstens, dass die legendäre Paula-Konzertzugabe, Plastic Betrands "Ça plane pour moi", auf dem Album fehlt.

12 Stationen, der Reihe nach angelaufen:

... zuletzt hatte Elke auf Tour aber eh lieber auf "Laisse tomber les filles" von Serge Gainsbourg zurückgegriffen, und das eröffnet in punkig hingeknatterter Turbo-Version "Twist à Saint Tropez". Mehr Gainsbourg wird folgen, zunächst aber geht es noch in Elkes ureigenstes Genre, den Elektro-Pop: "Pourquoi tu vis", nach einem ursprünglich spanischsprachigen Hit der 70er, pfeift wie eine Orgel munter aus allen Löchern, Allan zieht sich in New Wave-Kühle zurück und ist eine Freude für Fans des klassischen Synthie-Pop.

Zurück zur Gitarre: "Ne me laisse pas l'aimer", an dem sich schon Generationen von Sängerinnen und Schauspielerinnen bis hin zur Bardot abgearbeitet haben, kommt in einer funkigen Version daher ... ganz so als hätten Les Rita Mitsouko am Produzentenpult gestanden anstatt Elkes musikalischem Langzeit-Partner Berend Intelmann. Und der Süßegrad steigt, kein Wunder: "Banana Split" gehörte zum Menü der Belgierin Lio, die Anfang der 80er ganz Europa mit einer Reihe vertonter Eislutscher bezauberte - "Amoureux solitaires" und "Amicalement vôtre" die bekanntesten. Das Cover hält sich hier ziemlich eng ans Original, durch Elkes helle Stimme begünstigt.

War es Catherine Ringer, die Rock und französische Sprache mal als eine Mischung mit meistens schrägem Ergebnis bezeichnete? Jacques Dutronc war jedenfalls ein begnadeter (Beat-)Rocker, zu seinem "Les Cactus" lässt Elke die Gitarren bratzig aufjaulen, heult die enthaltenen Ay ay! Ui! Oy oy! an den erforderlichen Stellen, und das Ergebnis ist eine Partynummer. Und doch schräg, ganz eindeutig.

Zeit für etwas Beruhigung, geleistet mit dem alten Schmachtfetzen "Les Champs-Élysées" (allseits als "Ooooooooooo Champs-Élysées" im Ohr), allerdings in einer ziemlich zerlegten Version mit Sprechgesang und Clubbeats. Und es bleibt synthielastig, der Puls beschleunigt sich aber: "Twist à Saint Tropez" - genauer gesungen: "Touist à Saint Tropez" - hat immerhin auch schon 46 Jahre auf dem Buckel; Dick Rivers etablierte sich damit seinerzeit neben Johnny Hallyday zu einem der Urväter der französischen Rockmusik.

Dann also folgt das berüchtigte "Irresistible" bzw. auf französisch eben "Ouragan": Die Beats aufgefettet, die Stimme im Gegensatz zum Original gesangstrainiert - es bleibt aber ein ölschillerndes Stück Plastik (und unfassbar: Jeder, dem ich's vorgespielt habe, hat's auf Anhieb wiedererkannt - manche Dinge scheinen sich wirklich einzugraben ...).

"La maison où j'ai grandi", zur Abwechslung mit der Akustikgitarre gespielt, wird den meisten beim Anhören ziemlich bekannt vorkommen - auch wenn die französischsprachigen Fassungen, unter anderem von Françoise Hardy, hierzulande wahrscheinlich weniger geläufig sind als die eigentliche Ursuppenversion: "Il ragazzo della via gluck" von Adriano Celentano. Ein Klassiker ebenso wie das zweite Gainsbourg-Stück: "Couleur Café", die sommerliche Stimmung des Originals beibehaltend - hier wird sie mit allerlei elektronisch erzeugten Percussion-Klängen heraufbeschworen.

Das Album nähert sich seinem Ende und es kommt leise Melancholie auf. Zu einer zurückhaltenden und wirklich sehr schönen Gitarrenballade wird hier das Lied, mit dem Vanessa Paradis 1987 ihre Karriere startete, umgedeutet: Als 14-Jährige piepste Vanessa sich damals durch den unerwarteten Welthit "Joe le Taxi" ... und auch wenn zwischen dem damaligen Teenager und der heutigen Frau Brauweiler das eine oder andere Jahrzehnt an Lebensalter dazwischen liegt: die Stimmlagen sind einander gar nicht mal so unähnlich.

... soweit ein Album gewordener Streifzug durch ein halbes Jahrhundert französische Pop-Geschichte - mit eindeutigem Schwerpunkt auf deren kommerziellen Seiten, was den Reiz durchaus erhöht: Keine distinguierte Selbstbeschränkung auf Independent-Klassiker wie bei Nouvelle Vague - hier wird ins pralle Hitparadenleben von anno dunnemals gesprungen. Ganz ohne Gummistiefel, Plastikhandschuhe und Kondom. Nur "Ça plane pour moi" vermisse ich jetzt irgendwie doch. (Josefson)