Aphrodite

Frau Liebe wohnt in einer Muschel,
was weiter nicht verwunderlich,
denn zu erotischem Gekuschel
eignet die ganz vorzüglich sich.
Und ein Gespann aus weißen Tauben
zieht das verschwieg'ne Himmelbett
als schönste aller Liebeslauben
dorthin, wo sie es grad gern hätt'.
Die ihr auf dieser Fahrt begegnen,
lädt sie ein Stündchen zu sich ein,
lässt Blütenknospen um sie regnen,
ihr Haupt mit Rosenwasser segnen
und grad im Paradiese sein.
Foto: Inge Doule

Ariadne

Theseus saß im Labyrinthe
bis zum Halse in der Tinte
und es schlottern ihm die Knie.
Ach, denkt er, von Angst durchschauert,
Minotaurus auf mich lauert,
ein gar wild gemischtes Vieh:
oben Stier und unten Ringer,
so haust er im dunklen Zwinger,
zweifellos ein Gendefekt.
frisst zum Gabelfrühstück Helden,
wie die Chronik tut vermelden,
weil solch Held recht deftig schmeckt.
Ariadne unterdessen
konnt' den Jüngling nicht vergessen.
Eine Rettungsaktion
hat sie listig sich ersonnen
und ein Fädchen klug gesponnen
für den hübschen Griechensohn.
Dass nicht ganz er ward zerstückelt,
hat sie gänzlich eingewickelt
das gehörnte Ungetier.
Weiberlist sein Toben zähmte,
Traumgespinst ihn gänzlich lähmte,
bis zum Kälbchen ward der Stier.
Und was lehrt uns diese Endung?
Ist auch schwarz des Weges Wendung,
licht wird's schon nach einer Weil'.
Sitzt du in der Tinte drinnen,
fange fröhlich an zu spinnen
dir ein gold'nes Rettungsseil!
Foto: Inge Doule

Artemis

Als kühnste aller jungen Frauen
durch Felsgebirg und Waldesauen
streift Artemis durch das Gefild,
geschultert Köcher, Pfeil und Bogen
und auf der Locken dunklen Wogen
der Mondin silbern Ebenbild.
Mit ihrer treuen Hunde Meute
zieht sie nicht aus zu Tod und Beute.
Sie ist des Wildes Hüterin.
Die Muttertiere zu beschützen
will Pfeil und Bogen sie nur nützen,
nach Jagen steht ihr nicht der Sinn.
Doch hockt sich einer ins Gesträuche,
um keck missachtend die Gebräuche!
im Bad die Göttin zu erspäh'n,
wird so ein Spanner gleich beim Pirschen
flink umgestylt in einen Hirschen
gar gnadenlos im Handumdreh'n.
Laut um Erbarmen tät er röhren,
doch mit solch griechischen Voyeuren
macht frau nur kürzesten Prozess,
nützt ausgestopft den Sechzehnender
als höchst bequemen Kleiderständer
für ihre Jägerinnendress.
Foto: Inge Doule

Daphne

Der ruhmlos hier herunterpurzelt
ist ein verschmähter Sonnengott,
dieweil sich Daphne fest verwurzelt:
ein Baum zwar, aber sonst recht flott.
Statt in der Götter Puff zu schuften,
darf sie fortan auf freier Flur
nach Pizza und Spaghetti duften
als Kind der Mittelmeernatur.
Mitunter raunt sie zu den Frauen:
"Wenn eine meine Blättlein kaut,
darf weit sie in die Zukunft schauen,
wenn sie zu schau'n sich richtig traut.
Denn schon im Dampf der Erdenspalte
hat Pythia an mir genascht
und sprach hernach als weise Alte
in Rätseln und leicht eingehascht.
Drum Frauen, pflanzt euch Lorbeerbäumchen
auf jeden simplen Stadtbalkon,
dann werden lorbeergrüne Träumchen
zur Wirklichkeit gar balde schon!"
Foto: Inge Doule

Demeter und Kore

Blumen pflückte Fräuleon Kore
Aus dem frischen Frühlingsflore,
als die Lüfte wehten mild
um zu winden Blütenkränze.
Ringsum leuchtete im Lenze
das ergrünende Gefild.
Da ertönt ein Donnergrollen
fast wie Wagenräderrollen,
und es klafft ein Abgrund jäh.
Eine Faust packt Kores Strümpfe,
zieht hinab sie ins Gesümpfe
und die Jungfrau schreit oweh!
Gar nicht fern von diesem Leide
pflanzt Demeter grad Getreide,
wie's ihr göttinlicher Beruf.
schon seit langen Ewigkeiten
Da vernimmt sie einen zweiten
angstbedrängten Hilferuf:
"Helft, oh helft, schon bis zur Hüfte,
stecke ich tief im Geklüfte,
kommt und rettet mich geschwind!
Hades ist der Übeltäter!"
Da erkennet Frau Demeter:
Hilfe heischt ihr eignes Kind!
Nicht mehr länger darf sie zaudern,
eilt herbei und sieht mit Schaudern,
wie ihr Töchterchen versinkt,
und hervor aus dunkler Höhle
mit gewaltigem Gegröhle
schwarz des Hades Bass erklingt:
"Bald werd ich das Bräutchen haben,
es im Totenreich begraben
fernab von der Sonne Schein.
Mich, den Herrscher aller Schatten,
muss sie wählen sich als Gatten,
darf auf Erden nie mehr sein!"
Da erhebet Frau Demeter
ein gar mütterlich Gezeter:
"Hades, du gemeiner Schuft,
such woanders deine Bräute,
wir sind ehrenwerte Leute,
bleib allein in deiner Gruft.
Lass von meinem Kind die Pfoten,
nur der Dümmste aller Toten
nimmt dich Scheusal zum Genoss.
Denn In deine Unterwelten
dringet frische Luft gar selten,
und am meisten stinkt der Boss!"
So spuckt Frau Demeter Galle,
bis bei ihrem Redeschwalle
Hades lockert seine Faust,
und empor in hohem Bogen
von der Mutter Hand gezogen
Kore lichtwärts wieder saust.
Wiedersehen feiern beide,
auf dem Feld sprießt das Getreide
und vor Freude lacht die Flur.
Wieder kann aus vollen Händen
Frau Demeter Segen spenden:
frisch und biologisch nur!
Foto: Inge Doule

Eos

Grad wie ein Ton aus gold'ner Flöte
so rosenhold und lind und sacht
entschlüpft die junge Morgenröte
dem Schoß der dunklen Mutter Nacht.
Die zieht hinunter zu den scheuen,
lichtfernen Schatten, die sich blind
auf's Neugeboren werden freuen
und die wir selber bald schon sind ...
Foto: Inge Doule

Hekate

An der Kreuzung von zwei Wegen
schützt dich dunkler Frauensegen.
Dort wacht Göttin Hekate,
lässt dich in die Zukunft schauen,
lehrt dich Zaubertränke brauen,
Wurzelschnaps und Kräutertee.
Fühlst im Herzen du ein Grimmen,
will im Magen was nicht stimmen,
jedes Leid sie dir kuriert.
In des Neumonds schwarzen Nächten.
mit den unterird'schen Mächten
sie beruflich konferiert.
Bei der Fackeln rotem Leuchten
führt sie fort dich zu dem feuchten,
höchst geheimen Gartengrund,
wo ihr Schwesterchen, die Hexe,
hütet Nachtschattengewächse,
Tollkirschbeeren, schwarz und rund,
Apfel, die beim Pflücken stechen,
musst die rechten Worte sprechen,
wenn du Salben daraus rührst,
auch die rechten Liedlein singen,
bis die Kraft von Eulenschwingen
du in deinen Armen spürst.
Zu den Sternen kannst du fliegen,
auf dem Nachtgewölk dich wiegen
mit den Fledermäusen froh.
Erst beim dritten Weckerläuten
schlüpfst du aus den Federhäuten
und gehst tapfer ins Büro!
Foto: Inge Doule

Kirke

Wiehern, Blöken und Gewinsel
tönt auf Kirkes Zauberinsel
als Geräuschmenagerie.
Lautstark auch die Schweine grunzen,
so als sollten werden Blunzen
in dem Kessel bald schon sie.
Zwei Stück ihrer Lieblingsschweine
führt die Chefin an der Leine.
Artig trippeln sie daher.
Zierlich sich die Schwänzchen ringeln
wie zwei rosa Zuckerkringeln,
als ob's niemals anders wäre.
Dabei, wie Homer tut melden,
kämpften sie als Superhelden
einst vor Troja in der Schlacht,
bis sie selbst samt ihren Schätzen
landeten in Kirkes Netzen,
hingelockt von Zaubermacht.
Wie es Brauch ist bei den Feen,
kann nur der die Insel sehen,
der dem Leben ging verlor'n.
Nur solch Auserwählte dürfen
Kirkes Kräutertränklein schlürfen
aus dem süßen Wunderborn.
Dann fließt durch sie ein Verwandeln,
nicht als Menschen sie mehr handeln.
Schon bemerken sie erschreckt:
Aus zwei Beinen wurden viere
und sie werden zu dem Tiere,
das in ihnen drinnen steckt.
Foto: Inge Doule

Medea

Auf ihrem Wolkenschlangenwagen
lässt sich Medea heimwärts tragen,
fort aus der Griechen ödem Land,
dorthin, wo noch die Amazonen
in fernen Frauenreichen wohnen
an jenes schwarzen Meeres Strand.
Sie nennen Kolchis ihre Küste
und tragen keck die runden Brüste
von keinem Miederband gezähmt.
Auch nächtens zwingt kein Göttergatte
sie ehelich auf seine Matte.
Sie lieben lieber unverschämt!
Bei Tag erfüllen sie mitnichten
der Hausfrau mannigfalt'ge Pflichten.
Sie bügeln keines Mannes Hemd.
Sie waschen ihre Frühstückstassen
einmal pro Woche und sie lassen
die Teppichfransen ungekämmt.
Dorthin will nun Medea fliegen,
lässt sich ,nicht länger unterkriegen
von Jason und dem Ehestress.
Seht, wie sich schon die Schlangen winden,
in Wolkennebeln bald verschwinden
mit starken Drachinnen-PS.
Foto: Inge Doule

Medusa

Vor den Blicken der Medusa
wird so mancher Held zum Loser
und steht dann als Felsentrumm
in der Gegend stumm herum.
An den sturen Marmorbengeln
giftig sich die Nattern schlängeln,
denn die Schlangenhaarfrisur
darf nicht fehl'n in der Montur
aller griechischen Gorgonen,
die im Urzeitdunkel wohnen
als Geheim-Security...
und ihr Laseraug' schläft nie!
Foto: Inge Doule

Pythia

Zu Delphi in Urmütterzeiten
hat eine Drachin einst geweilt,
in Zukunftsangelegenheiten
den Frauen guten Rat erteilt,
bis Gott Apoll der Konkurrentin
den Praxis platz gar frech geklaut
und sie als bloße Assistentin
im tiefsten Souterrain verstaut.
Dort unten dampft die weise Alte
und grollt und grummelt mit Gezisch
und faucht aus einer Felsenspalte
ein höchst betäubendes Gemisch,
an dem sich in des Tempels Halle
per Dreifuß Pythia berauscht,
bis ihrem mystischen Gelalle
der Priester Schar ergriffen lauscht.
So manchen Sieg und manch Debakel
tat sie in Rätselsprüchen kund.
So ordiniert als Staatsorakel
die Drachin tief im Untergrund!
Foto: Inge Doule