Natürlich würde die Änderung der Hymne keinen Quantensprung in der Minimierung geschlechtsspezifischer Ungerechtigkeiten bedeuten. Aber als symbolische Handlung - und die tiefgreifenden Wirkungen einer solchen sind mittlerweile auch wissenschaftlich unumstritten - wäre es nicht bloß einen Versuch wert, sondern sollte eigentlich schon längst selbstverständlich sein.
Auf einer vergleichbaren Argumentationsebene der Sichtbarmachung von Frauen, die immerhin mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen, sind Linguistinnen (darunter auch einige Männer) und andere bewegte Frauen seit mittlerweile dreißig Jahren bemüht, die Benachteiligung in der Sprache aufzuheben bzw. auszugleichen. Die Reaktionen waren und sind dieselben wie auf die Hymne: sie strotzen von frauenfeindlicher Häme und Pseudoargumenten, die nichts anderes sind als irrationale Blockierungen, die Gruseln machen und zu denken geben.
Nun liegt uns mit der jährlichen kulturellen Ehrung einer oder mehrerer berühmter (und bereits verstorbener) Personen ein ähnlicher Sachverhalt vor. Waren es 2006 J.W.A. Mozart und S. Freud, denen das Jahr in zahlreichen und fulminanten Festivitäten sowie kapitalistischen Vermarktungskonzepten gewidmet wurde, ist es heuer - wer hätte das gedacht - wieder ein Mann. 2007 gehört W. Shakespeare.
Ob es sich angesichts dieser Eindimensionalität im allerorts waltenden malestream um einfältige Gedankenlosigkeit oder absichtsvolle Ignoranz aufgrund androzentrischer Fixierung handelt, sei dahin gestellt. An geeigneten Alternativen in Form weiblicher Genies hätte es jedenfalls im Vorjahr genauso wenig gemangelt wie heuer: Virginia Woolf (125. Geburtstag), Sophie von La Roche (200. Todestag), Emmy Noether (125. Geburtstag), Lydia Tschukowskaya (100. Geburtstag), Alice B. Toklas (130. Geburtstag), Hanna Nagl (100. Geburtstag), Frida Kahlo (100. Geburtstag), Käthe Kollwitz (130. Geburtstag), Paula Modersohn-Becker (100. Todestag) ... etc... etc..., um nur wenige zu nennen.