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Maria Berger, Justizministerin

Foto: APA/Newald
STANDARD: Frau Ministerin, Sie nennen Christian Broda, der unter Kreisky Justizminister war, als Vorbild. Haben Sie auch seinen Traum von der gefängnislosen Gesellschaft mitgeträumt?

Berger: Es war sicher in den 70er-Jahren eine gewisse Vision. Was nach wie vor gilt, ist, dass es besser ist, Kriminalität zu verhüten, als es dazu kommen zu lassen. Aber dass das nicht gelingt und schwer gelingen kann, ist Realität.

STANDARD: Was halten Sie vom Wahlkampfvorschlag der Grünen "20 Jahre statt Lebenslang"?

Berger: Für mich hat das keine große Priorität. Wenn, dann müsste das eingebettet sein in eine gesamte Neugestaltung. Es ist ja auch die Frage am Tisch, ob nicht bei Delikten im Vermögensbereich die Strafrahmen, die zum Teil höher als bei Delikten gegen Leib und Leben, sind, zu überdenken sind. Da müssten die Proportionalitäten insgesamt angesehen werden.

STANDARD: Sie werden sich den Strafenkatalog also genauer anschauen?

Berger: Ja. Das ist ja ein altes Thema, nicht nur im Ministerium, sondern daran arbeiten ja auch sehr viele in der Wissenschaft.

STANDARD: Sie sagten bei der Amtsübergabe im Palais Trautson zu Ihrer Vorgängerin Karin Gastinger: "Ich glaube, ich kann Ihre Arbeit gut fortsetzen." Wo können Sie anknüpfen?

Berger: Wo ich wirklich anknüpfen möchte, das sind die ursprünglichen Vorstellungen des Ministeriums, wie man nicht eheliche Lebensgemeinschaften und Patchworkfamilien regeln könnte. In diesen Bereichen ist Frau Gastinger ja leider am Widerstand des damaligen Koalitionspartners gescheitert.

STANDARD: Der jetzt Ihrer ist.

Berger: Ja, darum wird dieses Thema auch jetzt nicht leicht werden. Das ist mir schon klar, aber da hoffe ich doch ein bisschen, dass sich Einstellungen auch verändern.

STANDARD: Werden Sie sich dafür stark machen, dass gleichgeschlechtliche Paare eingetragene Partnerschaften eingehen können sollen?

Berger: Ja, dafür bin ich natürlich.

STANDARD: Sollen sie auch heiraten dürfen?

Berger: Ich will nicht von vornherein mit zu anspruchsvollen Forderungen hineingehen, weil ich weiß, es wird ohnehin schon schwierig genug. Aber dass man in diesem Bereich etwas mehr zustande bringt, als bisher möglich war, ist mir auf jeden Fall ein Anliegen.

STANDARD: Richterpräsidentin Barbara Helige vermisst im rot-schwarzen Regierungsprogramm die Übertragung des Weisungsrechts an den Generalanwalt. Was sagen Sie dazu?

Berger: Das war das Ergebnis der Verhandlungen. Das wollte der Koalitionspartner nicht.

STANDARD: Könnten Sie persönlich damit leben, kein ministerielles Weisungsrecht zu haben?

Berger: Ich kann mir das vorstellen. Ich bin da sehr offen. Aber diese Frage ist sicher nicht in einem Federstrich zu lösen.

STANDARD: Es gibt Kritik an den Geschworenengerichten. Ist es adäquat, dass man Laien über Kapitalverbrechen richten lässt?

Berger: Die Geschworenengerichtsbarkeit ist vom Gedanken einer demokratischen Justiz eine zentrale Einrichtung. Bevor man sagt, wir wandeln das um, sollte man versuchen, Bedenken durch bessere Organisation auszuräumen.

STANDARD: Die Justiz ächzt unter dem Sparkurs der letzten Regierung. Was kann sie da von Ihnen erwarten? Immerhin sitzt Ihr Landsmann, Vizekanzler Wilhelm Molterer, auf dem Geld.

Berger: Der dringendste Nachholbedarf ist beim nicht richterlichen Personal, wenn die Umsetzung der Vorverfahrensreform ab 2008 wirklich funktionieren soll. Auch im Vollzugsbereich ist Bedarf. Aber man muss da realistisch sein. Das Budget ist sehr knapp. Deshalb muss man Prioritäten setzen, und die sehe ich derzeit eher beim nicht richterlichen Personal.

STANDARD: Was sagen Sie dazu, dass in Kärnten Höchstgerichtsurteile schlicht ignoriert werden?

Berger: Eine Schande.

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Zur Person Maria Berger (50), promovierte Juristin, seit 1996 EU-Abgeordnete, zuletzt SP-Delegationsleiterin. Davor u. a. Uniassistentin in Innsbruck, Referentin im Wissenschaftsministerium, Vizepräsidentin der Donau-Uni Krems. Die Mühlviertler Bauerntochter hat ein Hausmuseum am eigenen Hof und hört im iPod Arien. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2007)