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Zweihundertsechzig E-Mails binnen dreier Stunden zu einem einzigen Thema sind sogar für die Redaktion einer Tageszeitung viel. Angekommen sind sie am Mittwochvormittag. Betreff: "Aufschrei". Absender: Sämtliche Studierende der Sozialarbeit der fh campus Wien inklusive deren diplomiertem Sozialarbeiter-Netzwerk. Inhalt: Protest gegen die Verwendung des Begriffes "Sozialarbeit" statt Studiengebühren der neuen Regierung. Weiter: Es müsse "gemeinnützige Arbeit" heißen, Sozialarbeit sei ein "wissenschaftlicher Beruf".

Inhaltliche Probleme haben die angehenden FH-Akademiker und ihre bereits fertig ausgebildeten Kollegen mit der Regelung "Arbeiten oder Studiengebühren zahlen" der neuen Regierung nicht geäußert. Das zeigt die Untiefe der Debatte. Es werden Alibi-Diskussionen geführt, genauso wie die neue Alternative "Arbeiten" statt Studiengebühren eine Alibi-Lösung ist. Womit sich die Bildungsproblematik in Österreich also wieder ganz einfach auf das Thema Studiengebühren reduzieren lässt. Die sind aber nicht das größte und sicher nicht das einzige Problem des Bildungssystems.

Wo bleibt der Aufschrei gegen die Filter, die Jungen die Zukunft verbauen? Die Durchlässigkeit des Bildungssystems existiert maximal auf dem Papier, in der Wirklichkeit haben Kinder, die sich mit zehn Jahren im Bildungsweg falsch entscheiden, ein lebenslanges Problem. Wir wissen seit Pisa, dass ein Viertel der Jugendlichen nicht sinnerfassend lesen kann. Von wegen Bildungsgarantie bis 18 – de facto haben diese Jungen sehr hohe Chancen, sehr schnell aus dem System draußen zu sein. Zurück zu den Unis und dem Aufschreien: Die Akademikerquote wird in Österreich gemessen am europäischen Durchschnitt als deutlich zu niedrig kritisiert. Apropos Zugangshürden: Hoffentlich wird aufgeschrien, wenn die Frage nach dem freien Zugang zu den Unis abseits von Gebühren diskutiert wird. Das könnte wohl bevorstehen. (karin Bauer, Der Standard, Printausgabe 13./14.1.2007)