Bild nicht mehr verfügbar.

Auch als Breitensport erfreut sich das Rodeln größter Beliebtheit, wenn nur das Wetter mitspielt.

Foto: dpa
Die Dämmerung geht in Dunkelheit über, ein leichter Ostwind weht Schneefahnen von den Bäumen, und die ersten Rodler, die uns schon abfahrend entgegenkommen, machen durch gelegentliche Rufe auf sich aufmerksam. Vor fünf Minuten ist der Mond aufgegangen, die am Morgen gepflügte Schneefahrbahn ist hart und glänzt im kalten Licht.

Wir sind zu zehnt - sechs Erwachsene und vier Kinder zwischen drei und neun Jahren. Die Körper dampfen, die Ohren sind rot, die Kleinsten fordern einen Sitz auf Opas Schultern. Noch zehn Minuten, und wir sind am Ziel, der Fotscher Skihütte in einem kleinen Seitental des Tiroler Sellraintals. Tee, heißer Apfelsaft, Glühwein, dann geht's talwärts, allein oder zu zweit auf der Rodel, mit oder oh-ne Stirnlampe, mit oder ohne gelegentliche Landungen im weichen Schnee neben der Fahrbahn.

Ob bei Tag oder am Abend, auf einer zünftigen Tour zu einer Alm oder einer Wiese am Rand der Großstadt, mit dem neuesten Hightech-Gerät oder dem Plastiksackl unter dem Hintern, Rodeln ist sicher der älteste, einfachste und fröhlichste Schneesport. In Wien gab es in den schneereichen Wintern vergangener Jahrzehnte eigene Rodelstraßen, die nach Schneefällen für den Autoverkehr gesperrt wurden. Ob der Rodelhügel auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater weiterhin beschneit werden kann, ist auf Grund der Erderwärmung mehr als fraglich und auch in ländlichen Regionen wird es zunehmend aper.

Schlittenähnliche Geräte finden sich schon auf vorgeschichtlichen schwedischen Felszeichnungen, als Arbeits- und Fortbewegungsgeräte wurden Schlitten, gezogen von Tieren oder Menschen überall dort eingesetzt, wo es Schnee gibt, bei den lappländischen Samen, den Inuit und Indianern. In Russland als Troikaschlitten mit drei vorgespannten Pferden, in den Alpen, gesteuert von kräftigen und geschickten Männern, zum Abtransport von Holz oder Heu aus hoch gelegenen Wäldern und Almen.

Sportart mit Geschichte

Als Spiel- und Spaßgerät für Kinder und Erwachsene verwendeten die Indianer vom Stamm der Coughnawanas nahe dem kanadischen Ontario kleine Schlitten, auf denen sie bäuchlings die Hügel hinuntersausten. Von ihnen übernahmen dann weiße Kanadier das Freizeitvergnügen, während man in Europa im Sitzen rodelte, in St. Petersburg etwa schon im Jahr 1777. Rittlings oder bäuchlings - diese Frage teilt bis heute die Spaß- und auch die Sportrodler. Am Bauch liegend zu rodeln begeistert vor allem die Kinder, und das höchste Vergnügen ist dann, möglichst viele Rodeln zusammenzuhängen, indem sich der oder die Vordere mit den Füßen in der Hinterrodel einhängt. Das geht allerdings nur mit den alten, vorn aufgebogenen Rodeln.

Als Sport wurde das Bäuchlingsrodeln unter dem Namen Skeleton von britischen Herrensportlern in den Schweizer Wintersportorten Davos, Arosa und St. Moritz eingeführt. 1905 gab es das erste Skeletonrennen in Österreich auf dem Semmering.

Das Rittlingsrodeln entwickelte sich als Wettkampfsport sukzessive zu einem Rücklingsrasen, als die Geräte immer flacher und die Bahnen immer schneller und glatter wurden, um schließlich in künstlich vereisten Kanälen zu enden, wie der Bob- und Rodelbahn in Innsbruck-Igls, auf der heuer vom 28. Jänner bis zum 4. Februar die Rodel-Weltmeisterschaften stattfinden.

Ein Guide für Rodler

Mit dem vergnüglichen Rodeln auf Forst- und Almstraßen hat diese Hochgeschwindigkeitssportart ungefähr so viel zu tun wie der Abfahrtslauf von der Streif mit der Familienabfahrt. Und weil dadurch das Wettkampfrodeln immer künstlicher wurde, entwickelte sich als Gegentrend ein Rennsport auf Naturbahnstrecken.

Wenn es neuerdings heißt, Rodeln sei im Kommen, so muss man sagen, dass es immer da war. Auch in den ärmsten Nachkriegsjahren gab es Schlitten, die in den Familien weitergegeben wurden, und Bergbauernkinder hatten, als Skier noch lange Luxusgeräte waren, die vom Dorfwagner gebauten Rodeln oft nur, um damit in die Schule zu fahren.

Aber es stimmt, Rodeln ist beliebter denn je. Ein Bedürfnis nach Erholung abseits von Ballermann, Forst- und Almstraßen mit Gastbetrieben, Aufstiegshilfen mit Taxis oder Liften und der Verleih von Geräten haben das Rodeln attraktiver, bequemer und einfacher gemacht. Dazu hat die Industrie neues Geräte- design geliefert. Von der hochpreisigen Sportrodel bis zum nostalgischen Hörnerschlitten, von der Klapprodel bis zu dem in fünf Minuten aufblasbaren Air-board reicht das Angebot, auch Porsche-Design lieferte kürzlich seinen Beitrag.

Da ist es nur logisch, dass das Rodeln nun auch ein Thema für die Reiseliteratur ist. Nach einem Guide zu den schönsten Rodeltouren in Salzburg ist vor wenigen Wochen auch ein Vorarlberg-Führer erschienen. Mit 48 Rodeltouren, Längen- und Schwierigkeitsangaben und Infos über Aufstiegshilfen und Nachtrodelmöglichkeiten. Die Vorschläge reichen von einer 500-Meter-Strecke mit einer Viertelstunde Aufstiegszeit in Warth über den beleuchteten Uga-Express mit nächtlicher Liftauffahrt in Damüls bis zur präparierten Bahn vom Neuhornbachhaus nach Schoppernau, bei der die 5,5 Kilometer lange Abfahrt für zweieinhalb Stunden Aufstieg entschädigt.

Ein Zuckerl in diesem neuen Führer ist die Kunstrodelbahn auf halbem Weg von Dornbirn zum Bödele, die bei 10 Prozent Gefälle auf 0,6 Kilometer Länge hohe Sportlichkeit voraussetzt. Deshalb sollte sie auch nur mit Helm und keinesfalls bei Vereisung befahren werden. (Horst Christoph/Der Standard/RONDO/12.01.2007)