Beischlaf ist wichtig. Auch wenn man im Rahmen der CD-Reihe "Heavy Breathing" nur zuhört

Fotos: Normal / Indigo
In Zeiten der westlichen Fortpflanzungsverweigerung legt Schaschko einen Beitrag zur Soundsexualisierung müde gewordener Völker vor.


Wien – Die Sache ist die: Während in den USA gerade eine gleich einmal drei Jahre halten sollende Pille für die Frau mit Karriereoptionen kurz vor der Zulassung steht und sich in Österreich eine große Versicherungsgesellschaft in einer aktuellen Plakatkampagne darum bemüht, neue Kunden mit dem (schon in naher Zukunft nicht mehr politisch halten werdenden) Argument anzuwerben, dass Kinder nicht als natürliche, sozusagen im Eigenbau angelegte Pensionsvorsorge taugen würden (weil: Dankbarkeit ist für Lendenfrüchte keine Kategorie ...), macht man sich im Münchner Stadtteil Haidhausen ernsthaft Sorgen.

Immerhin gilt ja selbst noch in Kreisen von zünftig auf die Frührente zusteuernden Angehörigen des so genannten Prekariats der gute alte Kopulationsakt zumindest in der Theorie als eine der wenigen Freizeitbetätigungen oder Tagesbeschäftigungen, die – abgesehen vom finanziellen Aufwand für etwaige Verhütungsmaßnahmen – bei entsprechend vorhandenen Partnern oder Partnerinnen als relativ kostengünstig durchgehen. Selbstverständlich unter Auslassung von zwangsweise wie -läufig entstehenden Nebenkosten im Zuge der regelmäßigen Ausübung sozialer Techniken im Sinne von: Zugreisen zur Schwiegermutter oder zwischendurch Blumen für den/die Liebste(n) einfach so.

Weil aber in diesem Sinne zwar mitunter (muss ja!) immer noch ordentlich kopuliert wird, wenn im Fernseher gerade nichts Besseres kommt, sich aber nur mehr wenige Leute das Schwangerwerden und Lästigsein wegen damit verbundenen Rauch- und Lachverbots antun wollen, hat der aus Salzburg gebürtige und mittlerweile seit gut 30 Jahren in München ansässige Grafiker, Postkartenkünstler und Musikliebhaber Hias Schaschko jetzt beschlossen, dem etwas fade gewordenen oder als Witz ohne Pointe geglaubten Sex wieder entschieden Sexiness einzuhauchen. Unter dem Signet Heavy Breathing wurden Ende 2006 von ihm mit den programmatischen Untertiteln Bite it! und Thrill me! (Vertrieb: Hoanzl) nichts weniger als zwei Kompilationen zum Thema Soundsexualisierung verlegt.

Jugend forscht

Diese dokumentieren aus den Randbereichen der Populärmusik von den 50er-Jahren und dreckigem und jugend_unfreiem Rock ’n’ Roll und Grind-Sound bis herauf ins Heute zu Techno und House, dass der wenigstens angedeutete Fortpflanzungswille in der Popkultur schon auch einen zentralen Bestandteil des Selbstbilds jeweils aktueller Lebensumstände und Weltsichten, mithin also einen entscheidenden Aspekt der Ideengeschichte der Jugendkultur darstellt(e).

Bevor es Ende Februar mit den zwei Folgekompilationen Stop it! und Touch me! weitergeht und auf insgesamt, ha ha, 69 Liedtitel aufgestockt wird, präsentiert Hias Schaschko als "IntimDJ Cpt. Schneider" im Verein mit den beiden hiesigen Schülern und stets auch an der Grenze von Spaß, Spott und Schabernack beheimateten Gästen an den Plattentellern, dem Salzburger Didi Neidhart und dem Burgenländer Fritz Ostermayer, kommenden Freitag, 12. 1., im Rahmen des Clubabends Heavy Breathing in der Fluc-Wanne am Wiener Praterstern ausgewählte Tonbeispiele seiner während der letzten Jahre zusammengetragenen Forschungsarbeit im Bereich gehechelter und gestöhnter Popmusik.

Die auch unten verhandelte Jane Birkin und ihr ehemaliger Lover Serge Gainsbourg sind zwar aus rechtlichen Gründen mit ihrem Klassiker aus 1969, Je t'aime moi non plus, nicht bei Heavy Breathing vertreten. Die Rechtsanwälte beider Parteien schreckten vor so viel erotischer Liederlichkeit offenbar doch zurück und verweigerten die Lizenzrechte. Dafür aber kommt der geneigte Hörer jetzt in den Genuss des kongenialen Lieds Irre gut. In dem geilt sich der heute mit Ausnahme der Gestaltung der Eingangshalle der Wiener Wirtschafts-Uni vergessene Schwulstpinsel-Maler Leherb gemeinsam mit Gattin Lotte bis zu jenem Orgasmus auf, den wir gar nicht hören wollen: "Du bist verrückt, doch nicht da auf der Stiege! (...) Schnell, fest!" Ergänzt wird diese wunderbar schlüpfrige, allerdings schon sehr stark nach Burschenmilch riechende Sache von stöhnenden HipHoppern wie Kool Keith oder Lil’ Kim, Grace Jones und Ike & Tina Turner sowie heute obskuren Künstlern wie Chaino And His African Percussion Safari, Chakachas oder Blues-Saubarteln wie Swamp Dogg.

Für beflissene Hörer gibt es auf der parallel zu der CD-Reihe eröffneten Homepage übrigens auch die Möglichkeit, eigene Favoriten der Beischlaf-Sounds, wie sagt man heute, zu voten. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.1.2007)