Erni Mangold, eine der großen, nachdenk-lichen Schauspielerinnen in Wien, wird 80 Jahre alt.

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Wien - Der letzte verschwenderische Auftritt der großen Volksschauspielerin Erni Mangold war in der Maske Schneewittchens: Ein wunderbar altersloses Kunstgeschöpf mit langem, schlohfarbenem Haar beklagte in Elfriede Jelineks Prinzessinnendramen 2005 die Vernachlässigung durch die ruchlosen Zwerge.

Gleichsam in Abtragung männlicher Bringschuld fand diese herrliche Wald- und Wiesenschönheit im Wiener Volkstheater einen schmählichen Tod durch des Försters Schießgewehr. Fatale Tauschgeschäfte wie diese sind ganz nach dem Geschmack Jelineks. Sie treffen aber auch die unprätentiöse Denkungsart einer der kostbarsten Schauspielerinnen, die hier zu Lande tätig sind. "Ja, ich erinnere mich", seufzt Mangold, "ich hatte als Jelinek-Schneewittchen so einen entzückenden Trippelschritt auf Zehenspitzen!" Eine Hüftoperation später gesteht Mangold: "Ich bin doch bloß so anmutig getrippelt, weil ich dadurch meine Gelenksschmerzen weniger gespürt habe!"

Überhaupt sind die Kategorien in der schändlichsten Verwirrung. Erni Mangold, die am 26. Jänner ihren 80. Geburtstag feiert und bereits heute im Theater Längenfeldgasse als Außenbezirks-Duse das Ronald-Harwood-Greisendrama Quartetto veredeln hilft, spielte früher unter Gustaf Gründgens in Hamburg. Sie war eine der anmutigsten Frauen ihrer Zeit, und obwohl sie die Festspielstadt Salzburg nie lieben gelernt hat, trugen sich Theaterpotentaten wie Ernst Häussermann mit der Absicht, sie zur Buhlschaft auf dem Domplatz zu erheben. "Da habe ich nur schrill aufgelacht - und gesagt: Also wenn schon, dann spiele ich den 'Glauben'!"

Scheitern als Chance

Mangold spricht, wenn sie ihre Karriere Revue passieren lässt, auffallend häufig in Kategorien des "Scheiterns". Als sie das Josefstadt-Theater 1956 in Richtung Alster-Ufer verließ, habe sie erst gemerkt, "wie wenig ich gekonnt habe". Solche Erfahrungen seien für ihr Fortkommen im Schauspielerinnenberuf unabdingbar gewesen. Mit Gründgens verband sie eine Art verquerer Freundschaft: "Ich habe nicht lange vor seinem Tod in Manila mit ihm noch telefoniert, und er beendete das Telefonat mit einem kernigen ,Heil Hitler!' Das hieß damals so viel wie: Leck mich im Arsch!"

In den 60er-Jahren wirkte sie unter Karlheinz Stroux am Düsseldorfer Schauspielhaus. Mangold kann viele Minuten damit zubringen, den legendären Stroux nachzuahmen: Wie er die weit abstehenden Hosen an den Bügelfalten packte und diese zu einem Quasi-Rock zusammenwand. Nichts daran wirkt denunziatorisch: Mangold, die in ihren größten Zeiten als streitbar und als unerschrocken galt, als Tabubrecherin mit dem Herzen am linken Fleck, ist alle nachtragende Häme fremd.

Fragen nach der "Zukunft des Theaters" winkt die langjährige Theaterpädagogin vorsorglich ab. Der jetzige Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg, der ihr am Tage des runden Wiegenfestes eine Feier ausrichtet, sei ihr Schüler gewesen: "Sah man gleich: Der wird ein Theatertier! Mit seiner großen Nase . . .

Die bemerkt man heute nicht mehr so, weil er halt mit den Jahren auch breiter geworden ist!"

Lieber schon spricht sie über den Begriff des "Volkstheaters": "Man könnte ganz simpel sagen: Das Wiener Volkstheater war immer ,links', die Josefstadt mehr ,rechts', die Burg irgendwo dazwischen . . . oder eben noch ,rechtser'." Ihr Zugang seien immer die "Außenbezirke" gewesen: "Im für eine Schauspielerin hohen Alter von 48 Jahren habe ich im Theater der Jugend gespielt - hab' die sogar ein bissel rausgerissen und ihnen eine Subvention verschafft, ich glaube, das war unter Sinowatz."

Ruftante Firnberg

Die damalige Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg war eine "Nenntante" der Mangold: Nachbarinnen in Niederrußbach und Großweikersdorf (NÖ), fünf Kilometer auseinander: "Mein Vater hat sie sehr geschätzt: Sie war eine sehr kultivierte Dame und hat auf mich aufgepasst, als ich ein kleines Mäderl war. Später hat sie mir dann erzählt: Ich war furchtbar frech - mit einem Wort: schrecklich!"

Als junge Schauspielerin habe sie die Standesunterschiede in der Wiener Theaterlandschaft noch kaum beachtet: "Man hat sich darüber aufgeregt, dass sie im Volkstheater Nestroy spielen, weil sie's ,doch nicht sprechen können'!"

Über ihr Josefstadt-Engagement 1946 habe ihr Freund Qualtinger gesagt: "Was, grad du?" Aber irgendwann habe sie eben auch etwas verdienen müssen. Über den Judenhass im Hause habe sie "erst später gehört" ("Manchmal ärgere ich mich noch heute darüber!").

Das Volkstheater sei dann "weniger vornehm" gewesen. Ihre spätere Karriere unter Emmy Werner habe sie regelrecht genossen: "Sie hat Frauen wie mich ausgegraben!" (Ronald Pohl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 1. 2007)