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Über zunehmenden "Antipolonismus" klagten diese Demonstranten am Sonntag vor der Warschauer Bischofsresidenz. Der überraschende Rücktritt des designierten Erzbischofs Stanislaw Wielgus hat die Debatte um die Kooperation der polnischen Geistlichkeit mit dem kommunistischen Geheimdienst "Służba Bezpieczeństwa" weiter angeheizt.

Bis zu 15 Prozent der Priester sollen dem Kirchenhistoriker Jan Zaryn zufolge dem Sicherheitsdienst des Innenministeriums Informationen über ihre Kollegen weitergegeben haben.

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Das Geständnis trifft Polens Kirche mitten in einer schweren Krise: Laut "Süddeutscher Zeitung" besuchten noch vor 20 Jahren 80 Prozent der Warschauer die Sonntagsmesse. Mittlerweile ist der Anteil der regelmäßigen Kirchgänger in der Hauptstadt auf unter ein Drittel gesunken.

Stanislaw Wielgus, der verhinderte Erzbischof, wäre Papst Benedikts Lösungsvorschlag für diese Probleme gewesen: der weltläufige Intellektuelle hätte als Vermittler zwischen Traditionalisten und Reformern dienen sollen.

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Bis zuletzt hatte der Papst seinen umstrittenen Kandidaten unterstützt: obwohl Wielgus angibt, seine Vorgesetzten bereits vor geraumer Zeit von seinen SB-Kontakten berichtet zu haben, veröffentlichte der Vatikan noch vergangene Woche eine Stellungnahme, der zufolge man habe bei der Entscheidung zur Ernennung des Erzbischofs man "alle Umstände seines Lebens untersucht", "auch die, die mit seiner Vergangenheit in Zusammenhang stehen."

Ausdrücklich heißt es in dem Dokument: "Das bedeutet, dass der Heilige Vater vollstes Vertrauen in Stanislaw Wielgus hat".

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Wielgus studierte Theologie im ostpolnischen Lublin und arbeitete nach seiner Priesterweihe als Studentenseelsorger, begann aber bereits 1969 eine wissenschaftliche Laufbahn. Von 1973 an war er jahrelang Stipendiat der Humboldt-Stiftung an der Münchner Universität. Dass er überhaupt einen Reisepass und damit eine Ausreiseerlaubnis erhielt, verdankte er dem kommunistischen Geheimdienst.

Kurz vor seiner Ausreise unterzeichnete Wielgus eine Verpflichtungserklärung und erhielt Instruktionen, polnische Geistliche in Deutschland auszuspähen.

Über 50 Mal, so die von der rechten Tageszeitung "Gazeta Polska" veröffentlichen Unterlagen, traf sich Wielgus mit Agenten und gab mögliche Kandidaten für eine Anwerbung durch den kommunistischen Geheimdienst bekannt.

Während seines Aufenthalts in Westdeutschland sollte er Informationen über dort lebende polnische Geistliche und Mitarbeiter des US-Senders "Radio Free Europe" sammeln.

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Wielgus gilt als Vertreter des konservativen Flügels, der unter anderem auch den umstrittenen Rundfunksender Radio Maryja, der mit antisemitischen Programminhalten wiederholt für Skandale sorgte und auch vom Vatikan scharf kritisiert worden war, verteidigte.

Im Gegenzug versicherte der Chef des Senders, die Anschuldigungen gegen Wielgus seien ein weiterer Teil des "Kampfes um Warschau", den liberale Politiker und Medien führten.

Foto: APA/epa/Andrzej Wiktor

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Kardinal Jozef Glemp, der Primas der katholischen Kirche Polens (auf dem Bild rechts, mit seinem verhinderten Nachfolger) gerät nun zunehmend in Kritik.

In nahezu allen polnischen Medien wurde sein Verhalten und insbesondere seine Predigt, in der er am Sonntag Wielgus noch einmal gegen alle Anschuldigungen verteidigte, als unangemessen bezeichnet. "Der große Fehler des Primas", urteilte die Zeitung "Dziennik" am Montag auf ihrer Titelseite. "Der Primas stand vor den Gläubigen, um klar zu sagen: Wenn es von mir abhinge, wäre Wielgus Erzbischof."

Foto: Reuters/Peter Andrews

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Mit seiner zur Verteidigungsrede geratenen Predigt habe Glemp Öl ins Feuer gegossen, meinte der katholische Publizist Zbigniew Nosowski. Die Predigt des Primas habe die Gemüter nicht beruhigt, sondern sei ein Frontalangriff auf alle, die sich für eine Aufklärung der Geheimdienstkontakte in Kirche und Gesellschaft einsetzen, bedauerte der Publizist Tomasz Terlikowski.

Glemp, den Wielgus (auf dem Bild) eigentlich ablösen sollte, bleibt nun vorläufig weiter im Amt.

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Bereits vor Wielgus´ überraschendem Rücktritt äußerte die Mehrheit der polnischen Bevölkerung Bedenken gegen seinen Amtsantritt. In einer Umfrage des Meinungsinstituts TNS OBOP für die Tageszeitung "Dziennik" vom 7. Jänner gaben 67 Prozent der Befragten an, sie seien gegen einen Bischof, der mit der Geheimpolizei zusammengearbeitet habe.

73 Prozent sprachen sich dafür aus, dass der Vatikan den Amtsantritt verhindern solle. Nur 22 Prozent (darunter die DemonstrantInnen auf unserem Bild) hätten ihn demnach als Bischof akzeptiert. (bed)

Foto: APA/EPA/Alik Keplicz