20) Die Goldenen Zitronen: "Lenin"

Punk ist nicht tot, er hüllt sich bloß in neue Kleider - und da holen die Hamburger Veteranen inzwischen ziemlich experimentelle Fummel aus dem Schrank. Mit Rock und Elektronik, Sing-, Sprech- und Schreistücken hängen sie jede Konkurrenz in Sachen diskursiver Schärfe ab: Wo im Staat ein Zahn faul ist, pochen die Zitronen als musikalischer Nerv. (Buback/Hoanzl)

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Coverfoto: Buback

19) The Organ: "Grab that Gun"

Morrissey würde vielleicht, vielleicht als Frau wiedergeboren werden, aber wäre er deswegen weniger sauertöpfisch? Katie Sketch singt nein und lässt ihre Bandkolleginnen aus Vancouver auf den Spuren der Smiths wandeln: So schön kann Epigonentum sein, wenn das Vorbild passt. (Too Pure)

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The Organ

Coverfoto: Too Pure

18) Sparks: "Hello young lovers"

Wo bleibt bloß das Sparks-Musical? Ron und Russell Mael sind ihre eigene Zwei-Personen-Operette: Scharfzüngige Konversation als Libretto, überkandidelter Glamrock die Kompositionen. Das Comeback des Jahres! (GUT/Edel)

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Allsparks.com

Coverfoto: GUT

17) Lo-Fi FNK: "Boylife"

Ein halbes Jahr nach dem "ersten Mal" (passende Assoziation zur Platte) wieder in voller Länge durchlaufen gelassen, und was soll ich sagen: So unbeschwert, hoffnungsvoll und durch und durch sympathisch hat heuer niemand anderer auf den Dancefloor eingeladen wie diese beiden Stockholmer Jungs. (Moshi Moshi Records)

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Lo-Fi FNK

Coverfoto: Moshi Moshi Records

16) Pelle Carlberg: "Everything, now!"

Gleiche Heimatstadt, eine Generation älter und doch schüchtern geblieben: Sie bleiben hartnäckig im Ohr, die schlichten Gitarrenpop-Melodien, in die Pelle die Tragikomik des Lebens packt ... wie die, im Gasthaus Vorstadt vor nur 15 ZuschauerInnen aufzutreten und trotzdem alles zu geben. (Labrador/Ixthuluh)

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Coverfoto: Labrador

15) Sufjan Stevens: "The Avalanche" + "Songs for Christmas"

Ich versuch hier krampfhaft, mich auf maximal 20 Platten zu beschränken - Folkzauberer Sufjan Stevens hingegen neigt wie gehabt zur Maßlosigkeit. Und hat auch allen Grund dazu: Selbst auf Nebenher-Veröffentlichungen wie diesen beiden schüttelt er noch so viele sagenhaft gute Songs aus dem Ärmel, dass man einfach nicht drum herum kommt. (Asthmatic Kitty Records)

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14) Ursula Rucker: "Ma'at Mama"

Flüstern, wo andere glauben schreien zu müssen: Souverän ist das Wort, das die große gnadenlose Dame der Spoken Word Poetry am besten beschreibt; wie auch ihre Abrechnung mit Rassismen, Sexismen und Kommerz-HipHop. Und doch hat Verbitterung nicht das letzte Wort - Poesie und Musikalität sind Ruckers Antwort. (!K7/Soul Seduction)

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Coverfoto: !K7

13) Klee: "Zwischen Himmel und Erde"

Vielleicht brauch ich beizeiten ein paar Sitzungen bei den Anonymen Kleeholikern, aber ich kann mich Suzie Kerstgens' Stimme und den schwelgerischen, nicht immer textsicheren, stets hoffnungsvoll romantischen Songs der Kölner Band einfach nicht verschließen. Zauberstaubsound wurde es schon genannt, und "Die Stadt" war mein Lieblingslied 2006. (Ministry of Sound/Edel)

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Kleemusik

Coverfoto: Ministry of Sound

12) Mates of State: "Bring it back"

Ich glaube, im ehelichen Heim von Kori und Jason würde man sich als Gast wohl fühlen, nimmt man ihre spürbare Freude am Singen und Spielen als Maßstab. Und so flüssig kommt der Keyboard-Pop der KalifornierInnen daher, dass man gar nicht merkt, aus wie vielen kleinen Seltsamkeiten er sich eigentlich zusammen setzt. (Barsuk Records/Moshi Moshi Records)

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Coverfoto: Barsuk Records

11) El Perro Del Mar: "El Perro Del Mar"

Gegensätzlichkeit ist das Mittel, mit dem Sarah Assbring aus Göteborg den einzigartig geisterhaften Sound ihres Debütalbums erzielt: Sie nimmt den quirligen Girliepop-Sound der 60er Jahre, bremst ihn auf Minimaltempo ab ... und jault und schluchzt dazu so herzzerreißend wie ich, seit mein CD-Exemplar spurlos verschwunden ist. (Cooperative Music/Edel)

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El Perro Del Mar

Coverfoto: Cooperative Music

10) Eagle*Seagull: "Eagle*Seagull"

... da schieb ich doch gleich noch eine Debütplatte nach: Gitarrenmusik kann so vielfältig sein: Monolithisch auf- und davonrockend wie "Photograph", todtraurig wie "Holy"; das Nebraskaner Sextett Eagle*Seagull liebt und lebt die Vielfalt. (Lado/SPV)

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Coverfoto: Lado

9) The Blow: "Paper Television"

Der Charme des Ohrwurms oder wie ein US-Duo es geschafft hat, mir R'n'B (!!!) unterzujubeln: Mit poppigen Refrains und im Hobbykeller gebastelten Schmalspursounds fernab aller Charts-Breitärsche, so wurden meine Mauern unterlaufen. (Tomlab/Soulseduction)

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Coverfoto: Tomlab

8) Your Ten Mofo: "Things change while helium listen to everyone"

Instrumentalmusik fängt mich nur selten ein, eine Band aus Oberösterreich hat's heuer aber geschafft: Your Ten Mofo machen Musik, zu der man das Dach einreißen möchte, um dazu den Himmel betrachten zu können; jedes der epischen Stücke ein Sonnenaufgang für sich. (Wohnzimmer)

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Your Ten Mofo

Coverfoto: Wohnzimmer

7) Britta: "Das schöne Leben"

Was' wiegt, das hat's. Die ungekrönten weil konsequent unglamourösen Königinnen des Schrammelrocks aus Berlin bleiben eine verlässliche Größe. Und haben, gallig wie stets, meine Lieblingszeile des Jahres geschrieben: Ist das noch Boheme oder schon die Unterschicht? (Flittchen/Indigo)

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Coverfoto: Flittchen

6) Urlaub in Polen: "Health and Welfare"

Ist's Rock? Ist's Groove? Die Frage bleibt offen und die beiden Deutschen in ihrer eigenen Klasse. Hier wird pure Energie auf den Weg geschickt, und jedes weitere Wort darüber wäre Gelaber. (Tomlab/Soulseduction)

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Urlaub in Polen

Coverfoto: Tomlab

5) Jan Delay: "Mercedes-Dance"

Das Funk-Jubilat "Klar" für alle guten, selbstgefälligen und übermütigen Sonnenscheintage - und das Duett mit Udo Lindenberg "Im Arsch" für die tranigen, miesepetrigen und selbstzerfleischenden Grauzonen dazwischen: Neo-Dandy Delay hatte 2006 für jede Stimmung den perfekten Song parat. (Buback/Universal)

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Jan Delay

Coverfoto: Buback

4) Morrissey: "Ringleader of the Tormentors"

Endlich ein Role Model für männliches Altern in Würde gefunden! (Morrisseys Lassoschwung mit dem Mikro-Kabel sollte Unterrichtsgegenstand sein ...) "Ringleader" ist vielleicht nicht so kraftvoll wie der Vorgänger "You are the Quarry", dafür schimmert die Pop-Brillanz aus allen Knopflöchern. (Attack/Edel)

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Morrisseymusic

Coverfoto: Attack

3) Wolke: "Möbelstück"

Big things come in small packages. Im Fall des Kölner Duos heißt das: Bitteres Gefühl steigt hoch die Brust wie Galle ... und bricht sich als LoFi-Elektropop in rührender Weise Bahn. Und kann Pop mit Herz und Angriffsflächen ein schöneres Motto haben als: Wir werden immer jünger, das Gegenteil von Tod ...? (Tapete Records)

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Wolke

Coverfoto: Tapete

2) Belle and Sebastian: "The Life Pursuit"

Wie ein "Funny Little Frog" hüpft die Nadel inzwischen über einen meiner meistgespielten Songs des Jahres, und dass die Synthese aus altem und neuem Belle and Sebastian-Sound endlich so glückte wie auf diesem Album, bringt ihm einen Spitzenplatz in meiner Jahreswertung ein. (Roughtrade)

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Coverfoto: Roughtrade

1) Enik: "The Seasons In Between"

Roh und voller verquerer Rhythmen kommt eine Platte aus München daher, auf der Dominik Schäfer alias Enik Rock, Elektro und Jazz miteinander verschweißt. Auf brachiale Stampfer irgendwo zwischen The Fall und Alec Empire (monumental: "Why do you love me") folgen Tom Waits-ähnliche Balladen, in denen Eniks Stimme geradezu verdutzt klingt, dass sie plötzlich von solcher Sanftmut umgeben ist. Jekyll und Hyde, oder noch besser: Frankensteins Monster und das blinde Mädchen, in einer musikalischen Persona vereint. Manische KünstlerInnen sind mit die besten, und wie sagte schon der Musik-Dämon in "Buffy": Aaah, I sense power! (Wonder Records/Virgin)

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Enik

Coverfoto: Wonder Records