"Ich konnte mich nie zurücklehnen, weil keine Lehne da war": Der Wiener Labelbetreiber und Schlagzeuger Uli Soyka, demnächst live zu erleben.

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Wien – Viele (Um-)Wege führen in die Gefilde der improvisierten Musik. Dass auch ein ausgebildeter Goldschmied und Graveur diesen Pfad finden kann, das zeigt die Vita eines umtriebigen Akteurs der heimischen Jazzszene.

Uli Soyka war 23 Jahr alt, als er seinen erlernten Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste – und beschloss, die bis dato als Hobby praktizierte Trommelei zum Gegenstand des Broterwerbs zu machen. Als später, autodidaktischer Szene-Quereinsteiger ohne Netzwerk-Basis (daran änderten im Folgenden auch eineinhalb Jahre an der Wiener Musikuniversität wenig) – der vielleicht gerade deshalb seinen Weg machen sollte. "Ich konnte mich nie zurücklehnen, weil keine Lehne da war", begründet Soyka den für ihn charakteristischen Aktivitätsdrang. "Alle, die Kreatives schaffen, bemerken früher oder später, dass niemand auf sie wartet. Man selbst muss die Grundlagen dafür schaffen, damit es passieren kann."

Sich selbst als Label-Betreiber, Pädagoge und Organisator Räume zu öffnen, das hat sich naturgemäß als schwieriges, aufreibendes Unterfangen erwiesen: "Die Rahmenbedingungen sind in Österreich nicht schlecht, nur muss man um die Fördermöglichkeiten wissen und die Zeit und Energie haben, sie auszuschöpfen. Nach jeder Produktion gibt es große Löcher, emotionell und finanziell", meint Soyka, der sich als Einzelkämpfer wider Willen gibt: "Ich habe das Kollektiv leider nie erfahren – musikalisches Spezialistentum bedeutet offenbar auch oft eine gewisse Abkapselung."

Soyka ist indessen auch ein Mann, der keine halben Sachen macht. Sein Tonträger-Debüt ließ er sich 1998 satte 36.000 Euro kosten, von denen gut die Hälfte über Sponsoren, der Rest aus eigener Tasche abgedeckt wurde: Schließlich ließ der mittlerweile 42-Jährige dafür Dave Liebman, den Ex-Miles-Davis-Sideman und Genius des Sopransaxofons, nebst Perkussionist Jamey Haddad einfliegen.

Prominente Gäste

Resultat war "A Taste of ...", das solide Opus 1 seines Internet-Labels Pan-Tau-X Records. Ähnlich verfuhr Soyka in den folgenden Jahren mit anderen prominenten Gästen, etwa Pianist Marc Copland oder Bassist Arild Andersen. Zehn Silberscheiben stehen mittlerweile zu Buche. Die letzte Tranche mit nicht weniger als vier Tonträgern veröffentlichte Soyka – nach Auflösung seiner Pensionsversicherung – anno 2006: Mitschnitte zweier frei improvisierter Konzerte, u. a. mit dem niederländischen Cello-Granden Ernst Reijseger, eine Live-Aufnahme des Quartetts von Sängerin Barbara Pflüger sowie das bislang wohl kompakteste Pan-Tau-X-Opus mit dem schönen Namen "Lila Lotus", eingespielt mit Saxofonist Klaus Gesing, Trompeter Lorenz Raab sowie den Schweden Henrik Hallberg (Gitarre) und Magnus Bergström (Bass).

Ob dieser Kräfte raubende Einsatz für seine Musik, dieser Dokumentationseifer eines musikalisch Vielgesichtigen, nicht der gezielten Promotion einer Band(-Marke) im Weg stehe? Soyka: "Ich spiele nun einmal unheimlich gerne Standards und ich spiele ebenso gerne freie Musik. Ich suche die Abwechslung – die Summe dieser Teile, das ist meine unbändige Spiellust, das bin dann wohl letztlich ich."

Ob sich diese Arbeitswut des Schlagzeugers als Fortsetzung der disziplinierten Tätigkeit eines Goldschmieds lesen lässt – oder nicht vielmehr als kathartische Gegenreaktion darauf? Uli Soyka plädiert für Ersteres: "Man benötigt für beides viel Sitzfleisch! Und Genauigkeit! Gerade freie Musik ist, wenn sie gut sein will, in jedem Punkt unglaublich präzise und aufmerksam." (Andreas Felber/ DER STANDARD, Printausgabe, 03.01.2007)