Für das US-Wissenschaftsmagazin Science war Grigori Perelman der Held des Jahres 2006. Seine Lösung der so genannten Poincaré-Hypothese führt die Liste der zehn wichtigsten wissenschaftlichen Durchbrüche des Vorjahrs an. Der russische Mathematiker erhielt dafür heuer die Fields-Medaille zugesprochen, den Nobelpreis der Mathematiker. Perelman lehnte sie als erster Preisträger überhaupt ab.
Doch das ist nicht die einzige Besonderheit rund um die Lösung eines der schwierigsten mathematischen Probleme überhaupt. Veröffentlicht hatte Perelman seine Arbeit schon 2002, und zwar nicht in einer mathematischen Fachzeitschrift, sondern auf einem Pre-Print-Server namens www.arxiv.net, auf dem Wissenschafter ihre "Working Papers" zur öffentlichen Diskussion stellen können. Im Normalfall tun sie das, bevor sie die Arbeit regulär bei einer Zeitschrift einreichen, um vorab noch hilfreiche Kommentare von Kollegen zu erhalten. Perelman ließ es bei der elektronischen (Vor-)Veröffentlichung bewenden - und erhielt dennoch die Anerkennung seiner Kollegenschaft.
Doch nicht nur dank solcher Pre-Print-Server steht der wissenschaftliche Publikationsmarkt vor tief greifenden Veränderungen. Durch das Internet hat das Veröffentlichen von wissenschaftlichen Erkenntnissen ganz neue Möglichkeiten erhalten - was im Übrigen ja auch der ursprüngliche Zweck des World Wide Web war. Als es entwickelt wurde, ging es zuallererst darum, den wissenschaftlichen Datenaustausch innerhalb der Scientific Community zu vereinfachen.
Auf den ersten Blick funktioniert das wissenschaftliche Zeitschriftenwesen trotz der Revolution der Kommunikationstechnologien im Prinzip heute zwar weiterhin so wie immer: Wissenschafter reichen ihre Arbeiten bei einem Fachjournal ein, wo sie anonym von Fachkollegen begutachtet werden, ehe die Zeitschrift den Artikel auf Papier oder bloß elektronisch veröffentlicht. Das Problem dabei ist, dass man ein Abonnement der Zeitschrift braucht, um Zugang zu dieser Information zu erhalten. Und das kann ins Geld gehen.
Um nur eine Zahl zu nennen: Elsevier, der größte Wissenschaftsverlag der Welt, machte im Jahr 2005 mit seinen 1700 zum Gutteil nicht ganz billigen Zeitschriften einen Reingewinn von 655 Millionen Euro. Nicht zuletzt diese Kosten riefen in den letzten Jahren sowohl einige Wissenschafter als auch ihre Institutionen und ihre Geldgeber - in Österreich vor allem den Wissenschaftsfonds FWF - auf den Plan, an diesem System etwas zu ändern.
Zauberwort
Das Zauberwort heißt "Open Access", das allerdings mehrere verschiedene Bedeutungen hat, die Stevan Harnad, einer der Wortführer der Bewegung, erläutert (Interview). Er selbst ist ein strikter Verfechter des Prinzips, alles zugänglich zu machen - und zwar auf Basis des Selbstarchivierens: Wissenschafter bzw. ihre Institutionen sollten alle ihre Texte in der Letztversion ins Netz stellen, damit alle darauf zugreifen können. Was nicht zuletzt auch den Forschern selbst nützt, weil ihre Arbeit so auch von jenen Kollegen zitiert werden kann, die keinen Zugang zur Zeitschrift haben, in der sie erschienen ist.
Ist dieses Selbstarchivieren vor allem im angloamerikanischen Raum mittlerweile bereits recht verbreitet, hat es sich hier zu Lande noch nicht allzu weit herumgesprochen. Noch nicht übermäßig viele Forscher - unter ihnen auch FWF-Präsident Christoph Kratky - stellen alle ihre Arbeiten im Volltext online. Und nur zwei große wissenschaftliche Einrichtungen, die Österreichische Akademie der Wissenschaften und die Wirtschaftsuniversität Wien, verfügen über ein digitales Publikationsportal. Weltweit sind im Register der Open-Access-Plattformen bereits 791 Archive von Universitäten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen verzeichnet.
Den großen Wissenschaftsverlagen schadet das nicht wirklich, ja sie können sich damit sogar eine neue Einnahmequelle erschließen. Wer nämlich einen Text genau so ins Netz stellen will, wie er in der Zeitschrift erschienen ist, muss für das PDF und die Genehmigung bis zu 3000 US-Dollar hinblättern. Deshalb wird längst auch an alternativen Zeitschriftenmodellen gearbeitet, die von vorneherein offen zugänglich sind.
Gemeinnützige Verlage wie BioMed Central (BMC) oder Public Library of Science verfügen mittlerweile über Hunderte von Zeitschriften, die von allen gratis gelesen werden können. Das Problem ist allerdings, dass auch solche Publikationen etwas kosten. Schließlich müssen die Herausgeber die Fachbegutachtung abwickeln, die Texte und die Bilder aufbereiten und das Ganze ins Netz stellen oder sogar noch zusätzlich drucken lassen.