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Foto: APA/dpa/Frank Leonhardt
Bereits 1937 entdeckte Clive McCay in Versuchen an Laborratten, dass eine konsequente Kalorienreduktion um 33 Prozent die durchschnittliche Lebenszeit beinahe um 50 Prozent verlängert. Weitere experimentelle Fütterungsversuche bestätigten McCays Ergebnisse: Das maximal erreichbare Lebensalter wird bei niedrig kalorisch gehaltenen Tieren signifikant verlängert.

Reparaturmechanismus

"Grundlage dieser Wirkung war bislang die Alterungstheorie durch Freie Radikale, wonach ungepaarte Elektronen durch ihre enorme Reaktionsfähigkeit zelluläre Strukturen im Körper schädigen", sagt Bernd Kleine-Gunk, Gynäkologe an der EuromedClinic in Fürth. Da die meisten aggressiven Abfallprodukte während des Energiestoffwechsels entstehen, lautet seine logische Schlussfolgerung: "Ein reduzierter Energieumsatz bedeutet einen reduzierten Stoffwechsel und somit eine verminderte Freisetzung freier Radikale." Fazit: Der Reparaturmechanismus der Zellen kann effizienter arbeiten, wenn der Stoffwechsel regelmäßig eine Verschnaufpause einlegt.

Enzym

Dennoch dürfte der Hauptmechanismus der Altersverlängerung woanders liegen: Neueste Studien zeigen, dass die CR-Wirkung vorwiegend über genetische Faktoren gesteuert wird. Mittelpunkt der Untersuchungen ist das Enzym Sir2. "Es reguliert in niedrigen Organismen die Zelldifferenzierung bis hin zum Zelltod."

Für eine Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen fehlen noch Untersuchungen, die Effekte seien laut Kleine-Gunk aber definitiv vergleichbar: "Bei der Wissenschaftergruppe, die Anfang der 90er-Jahre zwei Jahre lang im künstlichen Habitat Biosphere 2 auf niedrigkalorische Nahrung angewiesen war, wurden Biomarker des Alterungsprozesses günstig beeinflusst." Ein gravierenderes Problem sieht der Mediziner in der Umsetzung der "calorie restriction" im Alltag: "Einer Mehrzahl der Menschen fällt es bereits schwer, ihr Normalgewicht im oberen Normbereich zu halten."

Jungbrunnen

Der Lichtstreifen am Horizont: So genannte CR-Mimetika, Substanzen, die dem Organismus bei normaler Nahrungsaufnahme eine Kalorienrestriktion vortäuschen. Dazu gehört neben "Fake-Glukose" und dem Antidiabetikum "Metformin" auch das Res-veratrol, roter Farbstoff der Weintraube und Bestandteil von Rotwein. Resveratrol wurde lange Zeit für die paradoxe Tatsache verantwortlich gemacht, dass Südfranzosen trotz hohen Fettkonsums und Nikotinabusus selten Herzinfarkte erleiden. "Heute weiß man, dass moderater Alkoholgenuss an sich das Infarktrisiko senkt", relativiert Kleine-Gunk.

Radikalfänger

Dennoch könnte sich Resveratrol als biologische Vielzweckwaffe erweisen: Der natürliche Radikalfänger wirkt nachweislich entzündungshemmend, reduziert Abbauvorgänge, senkt das Risiko für Prostatakrebs. Longevity-Molekül wird es auch genannt. "Es ist derzeit die einzige Substanz, für die experimentell eine signifikante Lebensverlängerung nachgewiesen werden konnte", zeigt sich Kleine-Gunk optimistisch. Wermutstropfen im Rotweinglas: "Der für den positiven Effekt notwendige Konsum von 50 mg Resveratrol mit drei Gläsern Rotwein dürfte sich kaum durchsetzen." An äquivalenten Nahrungsergänzungen wird daher fieberhaft gearbeitet. (DER STANDARD, Printausgabe, anfa, 2.1.2007)