Fast nicht geweiht: Auf das Standard-Interview von Jungpriester Andreas Golatz (31, re.) hat die Diözese scharf reagiert

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Linz - "Ich bin gespannt, wie das jetzt alles gehen soll. Alleine schaffe ich das sicher nicht", hadert Dechant Anton Stellnberger, Pfarrer von Rainbach im Mühlkreis und Provisor der Gemeinden Leopoldschlag und Sandl nach dem plötzlichen Tod seines Pfarrvikars Johann Mayrhofer mit der Seelsorge-Zukunft. Der 76-jährige Mayrhofer war am 25. Dezember unmittelbar nach einer Messe tot zusammengebrochen. Trotz seines hohen Alters und einer schweren Herzkrankheit hatte der pensionierte Pfarrer nahezu alle Bereiche eines hauptberuflichen Gottesmannes übernommen. Sein Ableben hat jetzt die Nachwuchs-Diskussionen innerhalb der Kirche erneut angeheizt.

"Statt einem Kaplan bekommt man heute eine zweite Pfarre. Die Belastung und der Stress werden einfach zu groß", ist Stellnberger überzeugt. Zumindest bis Ostern hat der Pfarrer aus Personalmangel jetzt zwei Wochenendmessen streichen müssen. Aktuelle Zahlen belegen einen dringenden Handlungsbedarf: In der Diözese Linz sind bereits 140 Pfarren ohne Priester, von 429 Weltpriestern sind lediglich 23 unter 40 Jahre alt. Der Anteil der über 70-Jährigen liegt bei 35 Prozent, das Durchschnittsalter bei etwa 62 Jahren. 83 der oberösterreichischen Priester müssen bereits je zwei Pfarren, 14 bereits drei Pfarren betreuen. Die Zahlen spiegeln auch den gesamtösterreichischen Zustand wieder: Ein Fünftel der gesamt 3048 Pfarren hat keinen eigenen Priester mehr. Bleibt der Nachwuchs weiter aus, wird es bis zum Jahr 2016 österreichweit nur mehr 80 Priester unter 70 Jahren geben.

Seelsorge mit Mängeln

Und die klerikale Nachhut lässt auf sich warten: Im November 2005 trat in der Diözese Feldkirch kein einziger Seminarist ein, in Gurk-Klagenfurt und in Linz waren es zwei, in Graz-Seckau drei, in Salzburg, Innsbruck und Eisenstadt jeweils fünf. Die Erzdiözese Wien darf sich über elf neue Seminaristen freuen. Letztlich zum Priester geweiht wurden 32 Kandidaten. Zum Vergleich: 1950 traten noch 152 Jungpriester ihren Dienst in der Kirche an.

Not am Kirchen-Manne sieht auch der ehemalige Caritas-Präsident, heutige Universitätsseelsorger und Pfarrer von Probstdorf, Helmut Schüller: "Einerseits ist natürlich die Belastung für die einzelnen Priester enorm, andererseits leidet die Qualität der Seelsorge." Es bleibe der Kontakt "nur mehr an der Oberfläche", wenn kein Pfarrer mehr im Ort sei. Die Kirchen-Zukunft sieht der Obmann der im April ins Leben gerufenen "Pfarrer-Initiative" im Standard-Gespräch in einem "viri probati"-Modell. Der Weg dorthin sei aber steinig: "Auf bischöflicher Ebene gibt es die Generalklausel, dass diese eklatanten Probleme nicht angesprochen werden dürfen. Das Gebot der Stunde wäre es jetzt, gute Laien mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten und dem jeweiligen Pfarrer zur Seite zu stellen."

Deutlich entspannter sieht Pfarrer Erich Neidhart die Priestersituation. Der 42-Jährige steht der Kirche in der kleinen Marchlandgemeinde Orth an der Donau vor. Gemeinsam mit seinem Kaplan betreut er außerdem zwei weitere Pfarrkirchen und fünf Filialkirchen. Macht pro Wochenende sechs bis sieben Eucharistiefeiern, dazu kommen noch mehrere Gottesdienste unter der Woche. Den Vorwurf der "Oberflächen-Seelsorge" durch Pfarrverbände lässt er nicht gelten: "In Wien hat man vielleicht nur eine Pfarre, dafür aber 7000 Gläubige". Natürlich sei sein Hochamt auch stressig. "Aber welcher Beruf ist das nicht. Es ist ein positiver Stress, bei uns ist auch der Erfolgsdruck nicht so groß", so Neidhart. Dennoch müsse man sich abgrenzen können: "Die Grenze zwischen Beruf und Freizeit ist bei uns sicher schwerer zu ziehen. Tut man es aber nicht, geht man unter." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe, 2.1.2007)